Dokumentation 30 Jahre 1989: „Wende-Gespräch“ mit Akteur*innen und Zeitzeug*innen

Die gesellschaftlichen Umbrüche von 1989/90 waren einschneidend und prägen mit ihren Folgen die politischen und sozialen Verhältnisse bis heute. Am 22.11.2019 veranstaltete die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt dazu im Puschkinhaus in Halle ein „Wende-Gespräch“ mit Akteur*innen und Zeitzeug*innen, zu dem wir über 60 Gäste begrüßen konnten. Von Ingrid Stude.

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30 Jahre 1989: „Wende-Gespräch“ mit Akteur*innen und Zeitzeug*innen

von Ingrid Stude

Die gesellschaftlichen Umbrüche von 1989/90 waren einschneidend und prägen mit ihren Folgen die politischen und sozialen Verhältnisse bis heute. Am 22.11.2019 veranstaltete die Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt dazu im Puschkinhaus in Halle ein „Wende-Gespräch“ mit Akteur*innen und Zeitzeug*innen, zu dem wir über 60 Gäste begrüßen konnten. Moderiert vom Zeithistoriker Prof. Patrick Wagner (MLU Halle-Wittenberg), schilderten die Gesprächspartner*innen eingangs aus ihrer Perspektive Erinnerungen an die Verhältnisse in der DDR in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Der Mitbegründer des Neuen Forums in Halle, Dr. Frank Eigenfeld, sah die Entmündigung der Menschen als Hauptproblem. Die parteilose Sportwissenschaftlerin Dr. Renate Federle lehnte den Führungsanspruch der SED ab. Michael Teske sah als Ingenieur prekäre Zustände in den Kombinaten im Gegensatz zur offiziellen Darstellung. Roland Claus, im November 1989 letzter 1. Sekretär der Bezirksleitung Halle, empfand das Verbot der sowjetischen Zeitschrift Sputnik 1988 als Ende der Überlebensfähigkeit der DDR. Im Gespräch wurde daran erinnert, dass es 1989 nur ein kurzes Zeitfenster für Reformen gab. Der neue Verfassungsentwurf wurde schnell Makulatur und die Bürgerrechtler um das Neue Forum zum Randpublikum am Spielfeld. Als positiv bewerteten die Gesprächspartner*innen die Reformimpulse der „Runden Tische“ in Alternative zu traditionellen parlamentarischen Verfahren. In einer lebhaften, teils auch kontroversen Diskussion wurden die Ereignisse, Beweggründe, Hoffnungen und Illusionen von vor 30 Jahren beleuchtet. Dem Stolz der Selbstermächtigung und dem Gewinn von Demokratie und Freiheit wurden der Verlust von Arbeitsplatz, sozialer Sicherheit und die fehlende gesellschaftliche Perspektive entgegengestellt.

Das erinnernde Reflektieren dauerte auch in kleinen Gesprächsgruppen nach der offiziellen Veranstaltung beim Glas Wein fort. Die lebhafte Resonanz veranlasst uns, für eine Fortsetzung der Gesprächsrunde in einem „Anschlußgespräch“ im Herbst 2020 zu sorgen.