Nachricht | Geschichte - Deutsche / Europäische Geschichte Ein „Optimist aus Leidenschaft “ kommt nach Hause

Was der frühere Halberstädter Lutz Lindemann im Rathaussaal nicht nur über Fußball zu erzählen hatte

Halberstadt (geg).  Der Rathaussaal hätte einige Neugierige mehr verkraftet bei diesem „Heimspiel“ von Lutz Lindemann. Der Halberstädter war aus Jena angereist, um in der Heimatstadt sein Buch „Optimist aus Leidenschaft“ vorzustellen. „Es ist wie nach Hause kommen“, sagte der „verlorene Sohn“ – so hatte ihn Moderator Dennis Jannack (Rosa-Luxemburg-Stiftung und Fanhilfe Magdeburg) angekündigt – vor rund 40 Besuchern.

Lindemann fühlte sich wohl in der Runde, sah er in den Sitzreihen doch einige seiner Weggefährten und Freunde sowie Fußballfans sitzen. Diese bekamen im Wechsel vom Autor Frank Willmann einige Seiten vorgelesen und von der ostdeutschen Fußball-Legende ergänzende Geschichten auf seinem langen und nicht immer geradlinig verlaufenen Weg von ganz unten nach ganz oben, von Erfolgen und Enttäuschungen zu hören.

Da war von Trainerentscheidungen zu hören, die ihn vorangebracht, aber auch zurückgeworfen haben, von Verletzungen, die ihm den Glauben an eine Karriere nahmen und von Glücksumständen, die immer wieder für ein Weiterkommen sorgten. „Allerdings, geschenkt hat mir keiner was, ich habe mir das immer geholt“, betonte Lindemann. Zumal er der Meinung ist, dass jeder von etwas träumen kann, aber um einen Traum zu verwirklichen, etwas dafür tun müsse.
Der Fußballer hat sich nach seinen „Niederlagen“ immer wieder aufgerappelt. So, als er in jungen Jahren den Trainingsanzug und die Fußballschuhe mit Blaumann, Lederschürze, Helm und Schleifhexe tauschte und im RAW Halberstadt arbeitete, oder als er es sich mit den Genossen verscherzte und als „Wiedergutmachung“ unfreiwillig in die Partei eintreten und sich für einen dreijährigen Ehrendienst verpflichten musste, wo er nach der Grundausbildung zwar Fußball spielen durfte, sich dabei aber einen doppelten Meniskusriss zuzog, über vier Monate auf einen Operations-Termin warten musste und „Fußball in meinem Kopf keine Rolle mehr spielte“.
Doch es kam anders. Über Nordhausen, wo Lindemann schnell zum Publikumsliebling avancierte und Erfurt, wo er Mitte der 1970er Jahre in der Bestenliste der DDR-Mittelfeldspieler vorn lag, gelangte er zum FC Carl Zeiss Jena. Den „Weg ins Glück“ nennt er diesen Wechsel zu dem Verein, beim dem er seine größten Erfolge erzielte.
„Doch nach dem Europapokalspiel 1982 ging es nicht mehr“, gestand Lindemann, der damals seinem aktiven Spiel nach der elften Saison ein Ende setzte. „Ich bin stolz auf diese Karriere, auch darauf, dass ich nach der Wende nicht arbeitslos war und einiges erreicht habe. Ich habe viel investiert, es hat sich gelohnt!“ Lutz Lindemann, der zu seinen Niederlagen wie zu seinen Erfolgen steht und der nie abgehoben ist, überzeugt mit ehrlichen Worten. Und wer diese im Rathaussaal verpasst hat, dem sei das Buch empfohlen.
Dieser Meinung ist auch Jörg Thölert aus Schwanebeck. Er freute sich nicht nur über die Begegnung im Rathaus, sondern gestattete Lindemann auch einen Blick in die mitgebrachte Fußballchronik, die er am 1.Februar 1962 mit dem Eintritt in die BSG Aufbau Schwanebeck begann und in die er alle seine Spiele notiert und Zeitungsausschnitte eingeklebt hat.
Darunter auch solche über Begegnungen auf dem Platz zwischen den Halberstädtern und den Schwanebeckern. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir einen Spieler verpflichtet hatten, sich nur um Lindemann zu kümmern, damit der nicht zum Zuge kommt.“ Wie Thölert suchten etliche Besucher des Abends, darunter Kreissportbund-Präsident Henning Rühe das Gespräch mit dem Ex-DDR-Nationalspieler und ließen sich ein Buch signieren.
„Ich war gern hier, habe Freunde getroffen, die ich lange nicht gesehen habe, und freute mich unter anderem über meine ehemaligen Lehrer Ruth und Günter Focke, die zur Lesung gekommen sind. So oft bin ich ja nicht hier. Es war schön!“, sagte er abschließend.

Text und Foto: Gerald Eggert