Nachricht | Wilhelm Schütte. Architekt. Frankfurt, Moskau, Istanbul, Wien; Zürich 2019

Erste Monografie über den Ehemann von Margarete Schütte-Lihotzky

Information

Wilhelm Schütte, Freiluftschule Floridsdorf/Wien, 1961, Klasse mit geöffneter Faltwand (Privatsammlung/Verlag)

Der 1900 geborene Wilhelm Schütte gehört zu den ArchitektInnen des «Neuen Bauens» der Weimarer Republik. Nach längeren Aufenthalten in der Sowjetunion und danach im Exil in der Türkei arbeitet er in Österreich. Hier verstirbt er 1968.

Anlass für die vorliegende Publikation der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) ist dann auch der 50. Jahrestag des Todes von Schütte. Er ist der Mann der weit bekannteren Margarete Schütte-Lihotzky, die als Erfindern der «Frankfurter Küche» gilt. Die beiden heiraten 1927, trennen sich aber 1951 wieder. Schütte ist zuerst kurze Zeit Beamter in München, um danach ein Leben als Experte, als Reisender, wenn nicht Fliehender, und als Lehrender zu führen. Erst sein Schaffen in Wien und Österreich verläuft etwas ruhiger. Nach dem Studium arbeitet er von 1925, also von Anfang an, mit Ernst May in Frankfurt/Main. 1930 geht er mit May in die Sowjetunion und arbeitet dort von 1930 bis 1937. Danach folgen neun Jahre in der Türkei. Margarete Schütte-Lihotzky reist 1941 nach Wien und wird dort verhaftet. Es wird sieben Jahre dauern, bis die beiden sich wiedersehen. Schütte selbst wird 1944 in Türkei interniert, und verlässt diese 1947. Bruno Taut, auch er ein Exilant in der Türkei, war 1938 bereits verstorben.

Die Biografie von Schütte wird in diesem Buch zwar auch vermittelt, im Vordergrund stehen jedoch die Bauten des Architekten. Am bekanntesten ist Schütte für verschiedene Schulneubauten in Frankfurt/Main und Wien, die durch gute Beleuchtung und flexible Möblierung eine angenehme Atmosphäre für LehrerInnen und SchülerInnen schaffen. Sie werden ausführlich vorgestellt. Thomas Flierl berichtet in seinem Beitrag über die Schulbauten, die Schütte in seiner Zeit in der Sowjetunion plant. Ausführlich erklärt wird auch das «Globus-Haus», der 1954 begonnene Neubau des Verlages und der Druckerei der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), die damals 700 Angestellte hat. Das Gebäude sollte funktional und ohne Prunk sein, denn schließlich sei es aus «Arbeitergroschen» errichtet worden. Entstanden ist dann fast eine «autarke Produktionskommune», mit modernster Technik und umfangreichen sozialen und Gemeinschaftseinrichtungen. Nach 1945 hatte Schütte in Österreich auch Antifa-Denkmäler gestaltet.

Die Artikel sind teilweise sehr detailliert, und richten sich vorrangig an architektonisch und baugeschichtlich interessierte LeserInnen. Das Buch gibt aber anhand des Lebens und der Bauten von Schütte Einblick in die Jahrzehnte der Reformbewegungen, in denen Bildung als Mittel der Emanzipation angesehen wurde: In der der Sozialdemokratie der Weimarer Zeit, und ähnlich in der staatlichen Modernisierung der Türkei unter Präsident Mustafa Kemal Atatürk. PlanerInnen wie Taut, May und Schütte verstanden Architektur, und damit sich selbst, als integralen Teil der Gesellschaft.

ÖGFA (Hrsg.): Wilhelm Schütte. Architekt. Frankfurt, Moskau, Istanbul, Wien; Park Books, Zürich 2019, 176 Seiten, 38 EUR