Nachricht | Hin Bredendieck. Von Aurich nach Atlanta; München 2020

Spannende Entdeckung einer (bisherigen) Randfigur des bauhaus´

Information

Der 1904 im ostfriesischen Aurich geborene Hin Bredendieck war bisher eine Randfigur der bauhaus-Geschichtsschreibung. Durch den 2018 an das Oldenburger Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte übergebenen Nachlass und die dadurch ermöglichten Forschungen hat sich dies geändert. Nach einer Ausstellung und der dazugehörigen Publikation (»Zwischen Utopie und Anpassung. Das Bauhaus in Oldenburg«; Petersberg 2019) ist nun Leben und Werk des Designers und Designlehrers in einer eigenen Publikation dokumentiert.

Bredendieck lernt zuerst Schreiner, bricht dann seinen Besuch an zwei Kunsthochschulen nach kurzer Zeit ab und kommt im April 1927 an das Bauhaus. Mit ihm beginnen auch Max Bill und Max Gebhard ihr Studium in Dessau. Drei Jahre später ist das Studium zu Ende und Bredendieck trotz bauhaus-Diplom arbeitslos. Ende 1932 geht er mit seiner ersten Frau Virginia, einer US-Amerikanerin in die Schweiz, 1935 heiraten die beiden. Nach einer kurzen Episode in seiner norddeutschen Heimat emigrieren die beiden im Herbst 1937 in die USA. Bredendieck erleidet aber niemals politische oder anderweitige Verfolgung. Er arbeitet zuerst am von László Moholy-Nagy (*1895) geleiteten New Bauhaus in Chicago. Dieses wird bald wieder geschlossen und 1939 jedoch als »School of Design« (ab 1944 unter dem Namen »Institute of Design«) wiedereröffnet und von Moholy-Nagy bis zu dessen plötzlichen Tod 1946 geführt.

Zwischen den beiden gibt es in der Folge öfters Auseinandersetzungen über pädagogische Konzepte. Am 1. Juni 1943 wird Bredendieck, der zwischendurch auch freiberuflich als Industriedesigner arbeitet, eingebürgert. Ab 1945 arbeitet er fest am Institute of Design. 1946 trennen sich Virginia und ihr Mann Bredendieck. Im Juni 1952 beginnt für den 48-jährigen ein neuer Lebensabschnitt. Er wird als Gründungsdirektor des Instituts für Industriedesign Professor in Atlanta (Georgia). Hier lehrt er bis zu seiner Pensionierung 1971 und »Atlanta« wird zu einem Vorbild für die Weise der Ausbildung von Industriedesignern in den USA, und der ehemalige Schreiner zu einem der wichtigen Vermittler der Bauhaus-Ideen in Nordamerika. Viel publiziert hat er nicht, und auch sein großes Buch, an dem er arbeitete, ist erst 2009 postum erschienen. Bredendieck lässt die Kontakte nach Deutschland nie abreißen. Er publiziert auch in form & zweck, der Zeitschrift für Gestaltung der DDR mehrere Aufsätze. Ein 1979 dort erschienener Beitrag, zum Vorkurs des Bauhauses, ist in der vorliegenden Publikation wieder veröffentlicht. Bredendieck stirbt 1995.

Die Publikation enthält 298 Abbildungen in Farbe, darunter viele Fotografien und Faksimiles von Skizzen und Mitschriften. Für Bredendieck war die Frage der Designausbildung zentral. Das Produkt einer Designschule waren für ihn nicht die dort entstandenen Objekte, sondern die Designer_innen. Diese Haltung berührt die auch schon am bauhaus geführte Debatte, ob Design auf Intuition und/oder auf (durch Ausbildung erwerbbaren) Kenntnissen beruhe. Design wird in diesen Jahren eine neue Disziplin, sie wird von einer Kunst in eine Wissenschaft verwandelt, und sie ist lehrbar, und (damit) nicht in erster Linie Begabung. In den 1950ern entsteht eine Designwissenschaft, die auch die pädagogischen Prinzipien und Ziele des Unterrichts beinhaltet. Die großzügig ausgestattete, aber auch nicht ganz preiswerte Publikation zeigt ein das ganze Jahrhundert umfassendes langes »Gelehrtenleben«. Der private Mensch bleibt eher blass, was vermutlich auch ein Quellenproblem sein dürfte. Der gebürtige Ostfriese galt aber als eher schwierig, und als Lehrer als streng.

Gloria Köpnick für das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg (Hrsg.): Hin Bredendieck. Von Aurich nach Atlanta; Hirmer Verlag, München 2020, 280 Seiten, 49,90 EUR