Nachricht | Schleper (Hg.): Beiträge zur internationalen Bauhaus-Rezeption; Berlin 2020

Transnationaler Austausch

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Die Wissensproduktion im bauhaus Jubiläumsjahr 2019, samt ihrer vielschichtigen Popularisierung, hatte unter anderem zwei Ergebnisse: Die Bedeutung von Frauen dort war doch weit höher, als bisher bekannt, auch wenn das bauhaus grundsätzlich eine patriarchale Einrichtung war. Zweitens ist das bauhaus nur vernetzt und international zu denken, es ist Resultat und Ausgangspunkt vielfältiger personeller und ideeller Verflechtungen. Der Bedeutung und Wirkung des bauhaus´ in verschiedenen, vor allem europäischen Staaten widmet sich der hier anzuzeigende, aus den vielfältigen (offiziellen) Aktivitäten rund um «bauhaus im westen» in Nordrhein-Westfalen entstandene Band.

Die Beiträge untersuchen die Zwischenkriegszeit in Polen, den Niederlande und Belgien, der Türkei, sowie die Anfangsjahre der DDR. Zwei weitere thematisieren die USA und die Bundesrepublik Deutschland. Die Transfers bestehen aus einschlägigen Publikationen und Ausstellungen, bis zu persönlichen Kontakten, die wiederum von Briefen über Besuche, Arbeitsaufenthalte bis zur endgültigen Emigration reichen konnten.

In Polen wurden 2019 keine Feierlichkeiten zu «bauhaus100» begangen, obwohl es dort einige Einflüsse zumindest des «Neuen Bauens» gab. Bezüglich der USA arbeitet Gerda Breuerheraus, dass es sogar schon vor der Gründung des Bauhaus Einflüsse aus den USA auf Europa und Deutschland gab, statt, wie es gerne erzählt wird, (nur) in umgekehrter Richtung. Die DDR öffnete sich kurz den Gedanken des bauhaus, um dann in einen gestalterischen Konservativismus zurückzufallen, der aus heutiger Sicht nur skurril wirkt. Es sollte dort bis in die 1970er Jahre hinein dauern, bis es zu einer nennenswerten Rehabilitation des bauhaus´ kommt. In der Türkei hatte einige deutsche avantgardistische Architekten, die vor den Nazis emigrieren mussten, wichtige Positionen: Bruno Taut, Martin Wagnerund andere – die aber alle nicht am bauhaus waren– sind an der Erstellung vielbeachteter Gebäude beteiligt.

Die meisten Texte behandeln den Zeitraum der Existenz des bauhaus´, einige vor allem die Nachgeschichte, die bis in die Zeit nach 1950 reicht. Das Buch zeigt an einigen Stellen, dass das bauhaus bis in die 2000er Jahre hinein als (deutsches?) Symbol für Freiheit und Demokratie gelesen und kommuniziert wurde, und gerne und mit Absicht vor die Erinnerung an die Shoa und die Verbrechen der Deutschen im Nationalsozialismus geschoben wurde. Diese Lesart lag auch im antikommunistischen Interesse der USA, von dort ging in den 1950er und 1960er Jahren der Re-Import des bauhauses, u.a. über die documenta, aus.

Ein langer Artikel des Herausgebers umfasst nahezu ein Viertel des Buches. Dieser argumentiert das bauhaus als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg und die Theorien von Jürgen Habermas (*1929) als eine auf Zweiten Weltkrieg. Schleperversucht diese beiden Stränge wortreich zusammenzubinden, bleibt aber eher unverständlich. Dieser Text funktioniert (deshalb) nicht wirklich. Neben einzelnen, lesenswerten Beiträgen mit Neuigkeitswert (Belgien, Niederlande, USA) und dem soliden Artikel zur DDR fehlt dem Band der innere Zusammenhang.

Thomas Schleper (Hg.): Staatsaffäre Bauhaus. Beiträge zur internationalen Bauhaus-Rezeption; Gebr. Mann Verlag, Berlin 2020, 224 Seiten, 24,90 EUR