
Die Ungleichheit in Deutschland wächst ungebremst. Trotzdem sind höhere Steuern auf die Vermögen von Superreichen für einen großen Teil der politischen Parteien ein Tabu. In der öffentlichen Debatte wird dabei häufig so getan, als würden durch höhere Vermögensteuern die Mittelschicht oder kleinere Betriebe belastet. Unsere Autorin Eva Völpel – Referentin für Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Rosa-Luxemburg-Stiftung – schaut auf das Ausmaß und die Gründe für die ökonomische Ungleichheit, hinterfragt Mythen und zeigt auf, welche Konzepte vorliegen, um den extremen Reichtum einiger weniger gerechter zu besteuern.
Wie groß ist die ökonomische Ungleichheit in Deutschland?
Deutschland gehört mit Blick auf die Verteilung der Vermögen zu den ungleichsten Demokratien der Welt. Die oberen 10 Prozent der Bevölkerung verfügen über mehr als zwei Drittel (bis zu 69,8 Prozent) des gesamten privaten Nettovermögens (Nettovermögen = Vermögen abzüglich Schulden). Die mittleren 40 Prozent der Bevölkerung besitzen rund 29 Prozent und die untere Hälfte gerade einmal 1,2 Prozent des Nettovermögens. Also quasi nichts.
Während rund 30 Millionen Personen über keinerlei Ersparnisse verfügen, wird die Vermögenskonzentration immer krasser, je mehr man sich der Spitze nähert. Allein dem obersten einen Prozent der Superreichen gehören bis zu 37,9 Prozent des privaten Nettovermögens. Superreiche oder Überreiche besitzen vor allem Betriebsvermögen (Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen), unterschiedliche Arten von Wertpapieren (Finanzvermögen), Immobilien, aber auch Fahrzeuge, Kunstgegenstände, Gold und Schmuck.
Gemessen wird die Ungleichheit übrigens auch mit dem sogenannten Gini-Koeffizienten, der einen Wert zwischen 0 und 1 annehmen kann. Bei 0 haben alle in der Gesellschaft gleich viel, bei 1 besitzt eine Person quasi alles. Der Vermögens-Gini liegt in Deutschland bei 0,83 – auch das zeigt, wie ungleich es in unserer Gesellschaft zugeht.
Warum sprechen wir über Vermögen und nicht über Einkommen?
Die wirklich Superreichen werden nicht durch Lohnarbeit und Lohneinkommen reich, sondern durch ihr Eigentum an Betrieben, Immobilien und Finanzkapital. Das bedeutet: Daten zur Ungleichheit von Einkommen sind wichtig, sie können aber das Ausmaß der ökonomischen Ungleichheit nicht annähernd einfangen.
Dazu kommt: Während zu Einkommensverhältnissen relativ gute Daten vorliegen, gilt das für die Vermögen nicht. Das hat Gründe: Da die Vermögensteuer seit 1997 nicht mehr erhoben wird, fehlt eine wichtige Informationsquelle. Zudem lassen sich die Reichsten bei Haushaltsbefragungen nicht gerne in die Karten schauen. Allerdings hat die Forschung in den vergangenen Jahren einige wichtige Lücken geschlossen und Milliardenvermögen aufgespürt, über die bisher kaum jemand öffentlich gesprochen hat – obwohl es sich dabei um das größte familiär gehaltene Vermögen in Deutschland handelt. Es geht um die bis zu 100 Milliarden Euro der Familie Boehringer und von Baumbach (Pharmaindustrie).
Aufschlussreich ist auch ein Vergleich zwischen den Gini-Koeffizienten für Vermögen und Einkommen. Der Gini-Koeffizient mit möglichen Werten zwischen 0 und 1 ist wie gesagt ein Maß, um Ungleichheit zu messen. Je höher der Wert, desto stärker ausgeprägt ist die gemessene Ungleichheit. Der Vermögens-Gini liegt in Deutschland bei 0,83, der Einkommens-Gini hingegen nur bei 0,3. Auch das zeigt: Die Musik beim Thema Ungleichheit spielt bei den Vermögen, nicht bei den Einkommen.
Warum sind die Vermögen so ungleich verteilt?
Die ungleiche Verteilung der Vermögen ist nicht vom Himmel gefallen. Dahinter stehen langfristige historische Entwicklungen, bei denen sich eine vergleichsweise kleine Gruppe in der Gesellschaft Dinge wie Land oder Naturressourcen – teilweise gewaltvoll – aneignen und Kapital erfolgreich in der Industrialisierung akkumulieren, also durch den Einsatz von fremder Arbeitskraft in Betrieben vermehren konnte.
Heute ist keine Vermögensart in Deutschland so ungleich verteilt wie die Betriebsvermögen. Gerade einmal 1,5 Prozent der Bevölkerung gehören über 86 Prozent davon (Linartas, Martyna: Unverdiente Ungleichheit, Hamburg 2025, 29 f.). Und nur 141 Familien gehört die Hälfte des gesamten Aktienvermögens in Deutschland.
Das war nicht immer so extrem. Noch in den 1970er-Jahren gab es nicht nur hohe Wachstumsraten und reguliertere Finanzmärkte. Auch deutlich stärkere Gewerkschaften und organisierte Belegschaften konnten dafür sorgen, dass im stetigen Kampf zwischen Kapital und Arbeit mehr in den Taschen der Lohnabhängigen landete. Entsprechende Steuergesetze regelten zudem, dass Unternehmensgewinne und Vermögen höher besteuert wurden.
Das änderte sich im Zuge der neoliberalen Globalisierung: Auch in Deutschland kamen Rechte, Arbeitsbedingungen und Einkommen von Beschäftigten unter Druck, der Anteil der unteren Hälfte der Bevölkerung am Gesamtvermögen schrumpfte. Die oberen 10 Prozent der Vermögenden konnten hingegen seit den 1990er-Jahren besonders stark von Kapitalgewinnen an den (deregulierten) Finanzmärkten und von einer immer geringeren Besteuerung profitieren.
So wird seit 1997 die Vermögensteuer in Deutschland nicht mehr erhoben. 2001 und 2008 wurden die Spitzensätze in der Einkommensteuer sowie die Steuern für Unternehmen deutlich gesenkt. Auch Kapitaleinkünfte, also vor allem Gewinne aus Geschäften an den Finanzmärkten, werden seit 2009 nur noch pauschal mit 25 Prozent besteuert (Abgeltungssteuer) und nicht mehr progressiv (wobei der Steuersatz prozentual mit höheren Gewinnen ansteigt). Und die Erbschaftsteuer wurde so ausgehöhlt, dass superreiche Eigentümer*innen ihre Betriebe quasi steuerfrei an Nachkommen weiterreichen können.
Es geht aber auch anders, wie die Geschichte zeigt. So wurden in Deutschland vermögensbezogene Steuern über etliche Jahre deutlich forscher erhoben. Dies hatte einen wichtigen Anteil daran, die seit dem Kaiserreich extreme Vermögensungleichheit zu reduzieren. Zu nennen ist die in der Weimarer Republik eingeführte Erbschaft- und Schenkungsteuer (vgl. für eine ausführliche Geschichte der Erbschaftsteuer Linartas: Unverdiente Ungleichheit) sowie der Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Durch das Lastenausgleichsgesetz von 1952 zur Bewältigung der Kriegsfolgen mussten die Reichsten des Landes die Hälfte ihres Vermögens abführen – gestreckt auf 30 Jahre. So lief die Abgabe faktisch auf eine Vermögensbesteuerung von jährlich zwei bis drei Prozent hinaus.
An all dem sieht man auch: Nicht die Reichen als individuelle Personen sind das Problem, sondern Strukturen, die zulassen, dass einige Wenige so viel Vermögen anhäufen können.
Wie viele Superreiche gibt es in Deutschland?
Die Zahl der Superreichen ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen. 2024 gab es in Deutschland laut manager magazin 249 MilliardenvermögenDie Vermögen summieren sich auf mindestens 1,4 Billionen Euro, vermutlich aber bis zu 2 Billionen Euro (kurz zur Erinnerung: eine Billion sind 1.000 Milliarden) und verteilen sich bundesweit auf gerade einmal 4.300 Haushalte.
Daneben gab es 2024 in Deutschland bereits 3.900 Personen, die jeweils mehr als 100 Millionen US-Dollar besitzen. Ihre Zahl hat sich allein innerhalb eines Jahres um 500 erhöht. Nur in den USA und China leben noch mehr Menschen mit so viel Vermögen.
Das also ist die Spitze der Vermögenden. Aber auch mit etwas weniger lässt es sich noch sehr gut leben. Gerade einmal 40.000 Haushalte zählen hierzulande zu den reichsten 0,1 Prozent der Bevölkerung. Dazu gehört man mit einem Vermögen von über 20 Millionen Euro.
Eine weitere Zahl ist interessant: Laut Statistischem Bundesamt müssen 872.000 Personen hierzulande nicht arbeiten gehen. Sie können von dem leben, was ihr Vermögen an Renditen oder Mieteinnahmen abwirft.
Wer sind diese Superreichen, kenn’ ich die?
Persönlich kennen die wenigsten wirklich extrem Reiche. Denn diese haben vor allem mit anderen Multimillionär*innen und Milliardär*innen Kontakt. Wer einen Eindruck davon bekommen möchte, wer in diesem Land vermögend ist, kann auf die ständig aktualisierte Forbes-Reichenliste schauen. Dann stolpert man über Namen wie Dieter Schwarz, Klaus-Michael Kühne, Reinhold Würth, Susanne Klatten, Stefan Quandt, Hasso Plattner, Theo von Bechtolsheim, Theo und Karl Albrecht – und viele mehr.
Täuscht das oder gibt es vor allem superreiche Männer?
Die Superreichsten in diesem Land sind vor allem weiß, männlich und westdeutsch. Und je höher die Vermögen, desto größer die Ungleichheit. Die Milliardenvermögen etwa gehören zu 71 Prozent Männern. Bis heute gibt es kein einziges Milliardenvermögen ostdeutscher Herkunft. Das zeigt: Die ökonomische Ungleichheit zementiert andere Facetten von Ungleichheit, etwa die Geschlechterungleichheit und die fortwährende ökonomische Spaltung zwischen West- und Ostdeutschland.
Wer viel leistet, hat eben auch viel Geld – oder nicht?
Der Gedanke, dass die Superreichen sich ihren Reichtum selbst erarbeitet haben, ist ein hartnäckiger Mythos. Ebenso ist es ein Mythos, dass man sich nur genug anstrengen muss, um selbst reich zu werden. Diese Mythen dienen dazu, die existierende große Ungleichheit zu rechtfertigen.
Natürlich arbeiten auch viele Multimillionär*innen oder Milliardär*innen etliche Stunden in der Woche. Aber sie sind so reich, weil sie profitable Unternehmen oder Anteile an solchen Unternehmen besitzen, in denen viele Menschen für sie und ihren Reichtum arbeiten. Deutlich wird das beispielsweise an den Dividenden, also den Ausschüttungen aus Unternehmensgewinnen, an die Aktionär*innen. Diese steigen seit Jahren immer weiter an – während die Reallöhne in der Pandemie oder der Energiepreiskrise drastisch geschrumpft sind.
Dividenden aber fließen vor allem an bereits sehr vermögende Personen bzw. institutionelle Anleger (die wiederum das Geld von sehr vermögenden Personen verwalten). Und sie fließen sogar, wenn eine Industrie in der (Absatz-)Krise steckt und die Beschäftigten auf drastische Lohneinbußen eingestimmt werden. Siehe VW: 2024 schüttete der Konzern noch 4,5 Milliarden Euro an Dividenden aus, 2023 – als sich die Krise schon deutlich abzeichnete – inklusive einer Sonderdividende sogar 14 Milliarden Euro.
Ein anderer, entscheidender Grund, warum einige wenige Personen so vermögend sind: Sie hatten Glück in der Familienlotterie. Über die Hälfte des gesamten existierenden Vermögens ist mittlerweile nicht erarbeitet, sondern geerbt. Gerade die allergrößten Vermögen werden seit Generationen in der Familie weitergereicht und stammen zu einem guten Teil noch aus dem Kaiserreich oder der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Viele gründen unter anderem auf besonders krasse Formen von Ausbeutung, auf Kriegsprofiten und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus.
Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile mehr als 17 Millionen Personen, die in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Das hat nichts damit zu tun, dass sie wenig in ihrem Alltag leisten. Im Gegenteil.
Noch dazu ist es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern besonders schwer, aus eigener Anstrengung voranzukommen. So braucht es laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sechs Generationen, um sich aus der Armut auf ein Durchschnittseinkommen hochzuarbeiten. Also rund 180 Jahre.
Das alles macht klar, wie absurd der Leistungsmythos ist. Wir sollten also besser von einer Erbengesellschaft sprechen statt von einer Leistungsgesellschaft.
Warum sollten wir Vermögen höher besteuern?
Vermögen höher zu besteuern ist nicht nur eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Der Kampf gegen Ungleichheit ist auch wichtig für den Erhalt der Demokratie und mit Blick auf die Klimakrise.
Studien zeigen: Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto geringer ist das Vertrauen in die politischen Institutionen bzw. die Demokratie insgesamt – das gilt besonders für Personen mit geringem Einkommen. So gehen von Armut betroffene Personen auch seltener zu Wahlen. Viele von ihnen haben die Hoffnung auf Veränderung aufgegeben und fühlen sich von keiner Partei mehr politisch repräsentiert. Damit kommen ihre Interessen auch immer weniger in der Politik vor. Oder sie werden von rechtsextremen Parteien zum Teil erfolgreich aufgegriffen. Dabei wird ein (Kultur-)Kampf innen gegen außen (Deutsche gegen Geflüchtete/andere angeblich Abweichende) propagiert, statt auf die Klassenverhältnisse (oben vs. unten) zu schauen.
Auf der anderen Seite wachsen nicht nur die Vermögen der extrem Reichen, sondern damit verknüpft deren politischer Einfluss und Lobbymacht. Mit vielen schädlichen Auswirkungen. Etwa wenn diese Vermögenden Gesetze zur angemessenen Besteuerung – übrigens auch von global mächtigen Konzernen, an denen sie beteiligt sind – verhindern. Oder, siehe Elon Musk und Peter Thiel, wenn sie ihr Geld dafür einsetzen, eine rechte oder rechtsextreme, antidemokratische und autoritäre politische Agenda zu fördern.
Die Bekämpfung der Ungleichheit ist zudem wichtig mit Blick auf die Klimakrise. Die Superreichen sind für den Ausstoß enormer Mengen an CO2 verantwortlich. Im Schnitt emittiert jede Person in Deutschland rund 10,3 Tonnen CO2 pro Jahr, von Armut betroffene Personen übrigens deutlich weniger. Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung stoßen hingegen im Schnitt 32 Tonnen CO2 pro Jahr und Person aus, das reichste eine Prozent sogar mehr als 104 Tonnen. Es gilt: Je größer die Vermögen, desto mehr wird verbrannt: Allein die reichsten 800 Personen in Deutschland (0,001 Prozent der Bevölkerung) sind im Jahr für rund 11.700 Tonnen CO2-Emissionen verantwortlich – pro Kopf.
Ein Teil der hohen Kohlenstoffemissionen der Reichsten geht auf ihren Luxuskonsum (Privatjachten, Privatflugzeuge, Immobilienbesitz etc.) zurück. Der allergrößte Teil aber beruht auf ihren Investitionsemissionen. Das heißt, dass die Superreichen mit ihren Unternehmen und Unternehmensanteilen weiterhin tief in die fossile Industrie verstrickt sind bzw. weiter in sie investieren. Auch deswegen muss es darum gehen, die Vermögenskonzentration und damit die Macht über wirtschaftliche Entscheidungen in den Händen Einzelner zu reduzieren.
Um welche Steuern geht es, wenn wir Vermögen höher besteuern wollen?
Es gibt unterschiedliche Arten von vermögensbezogenen Steuern oder Abgaben. Häufig stehen zwei besonders im Fokus: die Vermögensteuer und die Erschaft- und Schenkungsteuer.
Eine Vermögensteuer für Multimillionär*innen und Milliardär*innen wurde in Deutschland zwischen 1923 und 1996 erhoben – also jahrzehntelang. Mitte der 1990er-Jahre kritisierte das Bundesverfassungsgericht, dass Immobilien – deren Bewertung immer noch auf Zahlen von 1964 beruhte – im Vergleich zu anderen Vermögenswerten zu niedrig und damit ungerecht besteuert würden. Doch statt die Bewertung zu aktualisieren, beschloss die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung, die Steuer einfach nicht mehr zu erheben. Seither ist sie ausgesetzt. Durch diese Aussetzung hat die öffentliche Hand zwischen 1997 und 2023 bereits 380 Milliarden Euro an Einnahmen verloren. Übrigens, eine Vermögensteuer ist nicht verfassungswidrig, wie vor Kurzem Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) behauptete.
Auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer steht derzeit im Fokus: Es werden kleinere Erbschaften und Schenkungen, die über den Freibeträgen liegen, höher besteuert als große und allergrößte Übertragungen. Während etwa bei Erbschaften unter 20 Millionen Euro im Schnitt 9 Prozent Steuern fällig werden, sind es bei Erbschaften über 20 Millionen Euro effektiv gerade einmal 4,7 Prozent.
Und es geht noch geringer: Durch Ausnahmeregelungen für superreiche Firmenerben können gerade die allerhöchsten Vermögen ab 26 Millionen Euro quasi steuerfrei übertragen werden. So wurden 2023 in 26 Fällen insgesamt rund 6,3 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Darauf wurden gerade einmal 0,1 Prozent an Steuern fällig.
Die Erbschaft- und Schenkungsteuer trägt so heute weniger zum jährlichen Steueraufkommen bei als etwa die Tabaksteuer mit rund 14 Milliarden Euro. Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht haben die Erbschaftsteuerreformen der jüngeren Vergangenheit wiederholt als verfassungswidrig kritisiert – wegen Regelungen, die die extrem Vermögenden begünstigen. Aber die Politik hat bis heute nichts daran geändert.
Als weitere vermögensbezogene Maßnahme wird zudem eine einmalige Lasten- bzw. Vermögensabgabe diskutiert. Eine Lastenabgabe wurde in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Lastenausgleichsgesetz von 1952 erhoben. Die Reichsten des Landes mussten damals – verteilt auf insgesamt 30 Jahre – die Hälfte ihres Vermögens abführen, damit der Staat die Folgen des Krieges finanziell bearbeiten konnte. Eine erneute Vermögensabgabe, die gleichfalls über viele Jahre beglichen werden könnte, rückte mit der Coronapandemie und auch angesichts der Klimakrise stärker in die Debatte. Sie wurde seither von etlichen Akteuren, darunter Bündnis 90/Die Grünen, die IG Metall und die Fraktion Die Linke im Bundestag gefordert.
Sinnvoll wäre auch eine Übergewinn- oder Monopolgewinnsteuer. Sie würde erhoben auf Gewinne, die auf unvorhersehbare Extraprofite von Unternehmen zurückgehen und vor allem in die Taschen vermögender Unternehmensbesitzer*innen fließen. Solche Extraprofite entstanden etwa bei der Verknappung fossiler Brennstoffe im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Das hatte eine lang anhaltende Inflation zur Folge, die vielen Unternehmen in den Bereichen Energie, Logistik und Einzelhandel drastische Zusatzgewinne bescherte. Auch, weil Unternehmen das allgemeine Inflationsumfeld gezielt für Extraprofite ausnutzten.
Übermäßige Profite können aber auch auf eine dominierende Marktstellung und das Ausnutzen dieses Quasi-Monopols zurückgehen (etwa bei Digitalkonzernen). Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat einen Vorschlag erarbeitet, wie man Übergewinne genauer abgrenzen kann. Sie definiert Residual- bzw. Übergewinne als Umsatzrentabilität, die 10 Prozent übersteigt.
Wie und wie hoch sollten Vermögen besteuert werden?
Zunächst einmal: Die meisten Konzepte für vermögensbezogene Steuern sehen relativ hohe Freibeträge vor, die nicht besteuert werden. Bei einer Vermögensteuer (oder Vermögensabgabe) schlagen viele Modelle einen persönlichen Freibetrag von 1 oder 2 Millionen Euro pro Person vor, zusätzlich 2 oder auch 5 Millionen Euro für Betriebsvermögen. Besteuert wird nur das, was über diesen Freibeträgen liegt. Also beispielsweise von 1 Million und 1 Euro nur der eine Euro. Alle Schulden werden dabei vorher abgezogen.
Die Entwicklungsorganisation Oxfam fordert eine Vermögensteuer mit einem Steuersatz von 2 bis 3 Prozent auf Vermögen ab 5 Millionen US-Dollar und 5 Prozent ab 1 Milliarde US-Dollar. Erwartete Einnahmen: Rund 85 Milliarden US-Dollar jährlich. Betroffen wären davon deutschlandweit gerade einmal 200.000 Personen. Anders als in vielen anderen Konzepten schlägt Oxfam eine Freigrenze und keinen Freibetrag vor. Das bedeutet: Besäße jemand 5 Millionen US-Dollar und 1 Euro und käme damit über die Freigrenze, würde nicht nur der eine Euro, sondern die gesamte Summe besteuert.
Die Partei Die Linke fordert 1 Prozent ab 1 Million Euro und – bei einem ansteigenden Steuersatz – 5 Prozent ab 50 Millionen Euro. Für Vermögen über 1 Milliarde Euro wären 12 Prozent Steuern fällig. Erwartete Einnahmen: Mindestens 108 Milliarden Euro. Betroffen wären gerade einmal 1,5 Prozent der Bevölkerung.
Andere Konzepte sind etwas weniger forsch. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert einen Steuersatz zwischen 1 Prozent (ab 1 Million Euro) und 2 Prozent (ab 1 Milliarde Euro). Erwartete Einnahmen: Rund 28 Milliarden Euro pro Jahr. Greenpeace fordert 2 Prozent auf Vermögen ab 100 Millionen Euro. Geschätzte Einnahmen: Rund 25 Milliarden Euro. Betroffene Haushalte: rund 4.700. Es gibt weitere Konzepte, etwa von der Organisation Attac.
Übrigens: Würde man mit einer Vermögensteuer erst einmal «nur» Milliardenvermögen besteuern, könnte man laut Netzwerk Steuergerechtigkeit jährlich zwischen 11 und 28 Milliarden Euro einnehmen. Betroffen wären je nach Ausgestaltung nur etwa 250 bis 5.000 Haushalte.
Bei der zweiten wichtigen Steuerart, der existierenden Erbschaft- und Schenkungsteuer, geht es in etlichen Konzepten (siehe den Vorschlag des Netzwerks Steuergerechtigkeit) darum, vor allem die grotesken Ausnahmen für superreiche Betriebsvermögen vollständig oder weitgehend zu streichen (vgl. Frage «Um welche Steuern geht es …?). Dadurch könnte die Steuer tatsächlich wieder progressiv wirken und mehr einbringen. Außerdem sollte die Regelung, dass Vermögensbeträge alle zehn Jahre erneut steuerfrei verschenkt werden können, abgeschafft werden. Denn das nutzen vor allem sehr reiche Menschen, um Steuern zu sparen.
Stattdessen könnte man die Freibeträge den heutigen Lebens- und Familienmodellen anpassen. Derzeit existieren in der Erbschaft- und Schenkungsteuer bereits hohe Freibeträge – allerdings nur unter Verwandten. Ehe- oder Lebenspartner*innen können sich etwa 500.000 Euro steuerfrei vererben oder verschenken, für jedes Kind gelten Freibeträge von 400.000 Euro. Für Nicht-Verwandte, etwa den/die langjährige Lebensgefährt*in, gilt hingegen nur ein Freibetrag von 20.000 Euro. Für jeden Euro darüber wird ein Steuersatz von 30 bis 50 Prozent fällig. Das könnte man also ändern und einen einheitlichen Freibetrag für alle – ob verwandt oder nicht verwandt – festsetzen (beispielsweise 200.000 Euro pro Person). Auch Omas Häuschen könnte man – als selbstgenutzte Immobilie – weiterhin und bis zu einer vernünftigen Größe steuerfrei stellen.
Würde man die Erbschaft- und Schenkungsteuer reformieren, wären je nach Konzept zwischen 7 und 17 Milliarden Euro an jährlichen Mehreinnahmen möglich.
Festzuhalten bleibt: Auch wenn sich Steuerkonzepte im Detail unterscheiden, arbeiten viele Organisationen zusammen, um Superreiche endlich angemessen zu besteuern.
An wen fließen Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern – und wie viel käme insgesamt zusammen?
Die Einnahmen fallen je nach Steuerkonzept unterschiedlich aus (vgl. Frage «Wie und wie hoch sollten Vermögen besteuert werden?»). Grob gesagt könnte eine Vermögensteuer jährlich zwischen 25 und (mindestens) 108 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuern einbringen. Dazu kämen zwischen 7 und 17 Milliarden Euro pro Jahr an Mehreinnahmen durch eine reformierte Erbschaft- und Schenkungsteuer.
Eine einmalige Vermögensabgabe könnte – gestreckt über viele Jahre – insgesamt deutlich über 300 Milliarden Euro einbringen. Und eine Übergewinnsteuer für große Konzerne rund 20 bis 40 Milliarden Euro pro Jahr.
Die Einnahmen aus solchen Steuern fließen in unterschiedliche öffentliche Kassen. Die Mittel aus einer Vermögensabgabe sowie eine Übergewinnsteuer stünden dem Bund zu. Die Einnahmen aus einer Vermögen- und der Erbschaft- und Schenkungsteuer stehen hingegen den Ländern zu. Das Geld käme damit letztlich auch den Kommunen zugute. Das wäre sehr wichtig. Vielen Kommunen steht das Wasser schon bei den laufenden Ausgaben bis zum Hals. Noch dazu summiert sich der jahrelange Investitionsstau für die Gemeinden auf mittlerweile rund 215 Milliarden Euro. Mehr Steuereinnahmen aus einer Vermögen- oder Erbschaft- und Schenkungsteuer sind also bitter nötig, um den Alltag vieler Menschen vor Ort lebenswerter zu machen.
Wenn wir Vermögen höher besteuern, verliere dann auch ich Geld oder Omas Häuschen?
Eine Vermögensteuer würde letztlich nur wenige Personen höher besteuern, weil sie extrem reich sind, aber im Vergleich zur Mittelschicht derzeit viel niedrigeren Steuern- und Abgabesätzen unterliegen. So hat sich der effektive Steuersatz auf Vermögenseinkommen seit 1997 mehr als halbiert. Das führt dazu, dass beispielsweise die Multimilliardär*innen und BMW-Erb*innen Susanne Klatten und Stefan Quandt zuletzt einen effektiven Steuersatz von gerade einmal 26 Prozent hatten (statt wie früher von mehr als 60 Prozent). Sie müssen also nur halb so viel von ihren Einkommen abgeben wie eine Durchschnittsverdienerfamilie, die rund 43 Prozent an Steuern und Sozialabgaben zahlt.
Diese Ungerechtigkeit soll bekämpft werden, indem die Allerreichsten in der Gesellschaft wieder mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen. Von einer wieder erhobenen Vermögensteuer wären nach den hier angerissenen Konzepten (vgl. Frage «Wie und wie hoch sollten Vermögen besteuert werden?») maximal 1,5 Prozent der Bevölkerung betroffen (rund 1,2 Millionen Personen), zum Teil aber auch deutlich weniger, nämlich rund 5.000 Haushalte.
Was Omas Häuschen angeht: Das ist ein Schreckgespenst von Lobbyist*innen, die damit Stimmung machen gegen eine gerechtere Besteuerung. Dabei existieren für Erbschaften und Schenkungen schon heute hohe Freibeträge, also auch für Omas Häuschen. Und liegt Omas Häuschen in einer Gegend, die in den letzten Jahren extreme Miet- und Wertsteigerungen erlebt hat, gäbe es auch dafür Lösungen: Selbst genutzte Immobilien könnten bis zu einer angemessenen Wohnfläche steuerfrei gestellt werden. Wer sein geerbtes Haus aber gewinnbringend verkaufen oder vermieten will, der muss eben Steuern darauf zahlen. Das wäre nur gerecht.
Wenn wir Vermögen höher besteuern, werden dann Unternehmen zerstört und Arbeitsplätze abgebaut?
Das ist ein beliebtes Argument, um eine höhere Besteuerung von Vermögen zu verhindern. Und die Politik hat die Wünsche der Unternehmenslobby leider in Gesetze gegossen – mit der Begründung: Höhere Vermögensteuern belasten Unternehmen und gefährden damit Arbeitsplätze, sind also zum Schaden der Allgemeinheit.
Aber: Diese Behauptung ist wissenschaftlich nicht bewiesen. Im Gegenteil: Sowohl die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) – ein unabhängiges 25-köpfiges Expert*innengremium – warnen davor, dass die Steuersubventionen für reiche Betriebserb*innen zur Gefahr für die Allgemeinheit werden können.
Unter anderem deshalb, weil dadurch Erb*innen willkürlich subventioniert werden – auch wenn ihr unternehmerisches Talent eher bescheiden ausfällt oder gen Null geht. So zeigen Studien aus mehreren Ländern, dass Firmenerb*innen Unternehmen im Schnitt schlechter führen als externe Manager*innen. Wenn Unternehmen schwächeln, wächst die Insolvenzgefahr. Der Wissenschaftliche Beirat beim BMF stellt fest: «Eine gravierende Bedrohung der Existenz von Unternehmen und Arbeitsplätzen durch die Erbschaftsteuer in der Vergangenheit wird empirisch nicht bestätigt.»
Auch die Behauptung, Erb*innen müssten, um eine höhere Steuerschuld zu begleichen, Unternehmensteile verkaufen oder sich ausländische Finanzinvestoren in die Firma holen, die diese dann ausschlachteten – hält einer näheren Überprüfung nicht stand. Man kann Steuerzahlungen über Jahre hinweg stunden, sodass Erb*innen die Steuer in kleinen Beträgen nach und nach aus den jährlich auflaufenden Gewinnen begleichen können. Auch kann der Staat als stiller Teilhaber in ein Unternehmen einsteigen und aushelfen – so lange, bis die Steuerschuld aus den Unternehmensgewinnen beglichen ist.
So resümiert auch der Wissenschaftliche Beirat beim BMF mit Blick auf die existierende Erbschaft- und Schenkungsteuer: «Die weitreichenden Vergünstigungen beim Unternehmensvermögen sind […] nicht zu rechtfertigen.»
Wenn wir Vermögen höher besteuern, ziehen die Reichen dann samt ihren Betrieben einfach weg?
Auch das ist eine beliebte Behauptung, die viele Menschen skeptisch auf höhere Vermögensteuern blicken lässt. Aber: So einfach ist Steuerflucht längst nicht mehr.
In Deutschland existieren seit den 1970er-Jahren Gesetze, die die unterschiedlichen Formen von Steuerflucht deutlich einschränken. Die Regelungen sind über die Jahre immer wieder nachgeschärft und verbessert worden, wie eine anschauliche Studie von Oxfam und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit zeigt.
Im Fall eines persönlichen Umzugs ins Ausland greift etwa eine Wegzugsteuer (geregelt im Außensteuergesetz). Auch für den Fall von Unternehmensverlagerungen ins Ausland greifen Besteuerungsregeln. Zudem ist klassischer Steuerbetrug in Form von Schwarzkonten im Ausland durch internationale Abkommen zum Automatischen Informationsaustausch von Steuerbehörden (AIA) deutlich schwieriger geworden.
Ein Beispiel zeigt, wie teuer Steuerflucht werden kann: Würde die Milliardärin und BMW-Erbin Susanne Klatten ins Ausland ziehen, müsste sie in Deutschland rund 6,5 Milliarden Euro an Steuern zahlen, das sind rund 30 Prozent ihres gesamten Vermögens.
Die Drohung, bei höheren Steuern ins Ausland zu flüchten, ist also eine leere Drohung.
Vermögen höher zu besteuern ist aufwendig – rechnet sich das überhaupt?
Ja, es rechnet sich – auch wenn die vermögende Unternehmenslobby oder auch Politiker*innen und Teile der Medien das Gegenteil behaupten. So meinte der ehemalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Jahr 2022, die Kosten einer Vermögensteuer – die notwendige Arbeit der Finanzbeamt*innen sowie Aufwände der Steuerpflichtigen etwa für Vermögensverwaltung oder Steuerberatung – würden rund ein Drittel des gesamten Steueraufkommens ausmachen.
Ein realistischeres Bild liefern Daten, auf die Julia Jirmann in ihrem Buch «Black Box Steuerpolitik» (2024) hinweist: Als die Vermögensteuer noch erhoben wurde, schätzte die damalige Landesregierung von NRW die sogenannten Erhebungs- oder Verwaltungskosten für das Jahr 1993 auf rund 5,5 Prozent.
Und würde heute eine Vermögensteuer erneut erhoben (in Höhe von 1 bis 1,5 Prozent und Freibeträgen von 1 bis 2 Millionen Euro), so beliefen sich die Verwaltungskosten auf etwa 4 bis 8 Prozent, schätzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Damit wären die Kosten ähnlich hoch wie für die Einkommen- und Unternehmensteuern.
Was der angeblich nicht zu rechtfertigende Aufwand und die Kosten für die Steuerpflichtigen angeht: Bei Bürgergeldempfänger*innen finden wir es völlig normal, dass sie Vermögensverhältnisse und Einnahmen akribisch offenlegen müssen. Warum sollten für Superreiche andere Maßstäbe gelten? Zumal es reichlich Erfahrung mit der Bewertung großer Vermögensbestände gibt, etwa bei Versicherungen, die regelmäßig große Immobilienbestände und millionenschwere Kunstsammlungen bewerten.
Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung, wenn es um höhere Steuern für Vermögende geht?
Umfragen zeigen immer wieder, dass viele Menschen die soziale Ungleichheit als zu hoch bewerten. Sie sehen die verteilungspolitischen Zustände in Deutschland mehrheitlich als ungerecht an und sprechen sich für eine höhere Besteuerung von Vermögen aus. So waren in einer repräsentativen Erhebung von Forsa aus dem Juli 2024 fast zwei Drittel aller Befragten (62 Prozent) für eine Vermögensteuer ab 1 Million Euro. Nur 34 Prozent sprachen sich dagegen aus. Selbst unter den Anhänger*innen der Union stimmte mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) für eine solche Steuer.
Warum passiert trotzdem nichts?
Weil die Lobbymacht der Vermögenden enorm groß ist. Paradebeispiel dafür ist die Stiftung Familienunternehmen (bzw. deren Ausgründung Stiftung Familienunternehmen und Politik), die immer wieder Horrorszenarien zu einer Vermögensteuer oder einer höheren Erbschaft- und Schenkungsteuer an die Wand malt. Damit beeinflusst sie die öffentliche Meinung und vor allem politische Entscheidungsträger*innen.
Die Stiftung Familienunternehmen steht für die Lobby des ganz großen Geldes, erweckt aber durch ihren Namen den Eindruck, als spreche sie vor allem für den Mittelstand, also den Handwerker oder die Bäckermeisterin von nebenan. Dabei stammen die rund 600 Förderer der Stiftung nach eigenen Angaben «aus dem Kreis der größten deutschen Familienunternehmen». Die Stiftung hatte um das Jahr 2016 auch großen Anteil daran, Steuervergünstigungen für reiche Unternehmenserb*innen durchzusetzen. Ebenso agiert der Verband Die Familienunternehmer e. V. als Lobbygruppe für die Superreichen.
Wie wird eigentlich international über das Thema diskutiert?
Mittlerweile gibt es einen wichtigen Vorschlag für eine global koordinierte Milliardärsteuer, der 2024 von dem Ökonomen Gabriel Zucman im Auftrag der brasilianischen G20-Präsidentschaft vorgelegt wurde. Danach könnte eine zweiprozentige Mindeststeuer allein für die Milliardär*innen der Forbes-Reichenliste bereits 242 Milliarden US-Dollar einbringen. Bei einer Freigrenze von 100 Millionen US-Dollar wären sogar Einnahmen von 377 Milliarden US-Dollar möglich. Brasilien hatte vorgeschlagen, die Einnahmen aus der Steuer vor allem für die Armutsbekämpfung und den Klimaschutz zu verwenden.
Eine global koordinierte Milliardärsteuer würde in den meisten Ländern dazu führen, dass Superreiche endlich wieder ähnliche Steuer- und Abgabensätze zahlen würden wie Menschen aus der Mittelschicht. Für Deutschland ergäben sich Einnahmen zwischen 11 und 28 Milliarden Euro pro Jahr, schätzt das Netzwerk Steuergerechtigkeit. Vorbild für eine Milliardärsteuer könnte die 2021 zwischen den G20-Staaten nach jahrelangen Verhandlungen vereinbarte globale Mindeststeuer für multinationale Konzerne sein.
Die G20 haben Brasiliens Initiative für eine Milliardärsteuer nur teilweise aufgegriffen. Man vereinbarte grundsätzlich eine engere Zusammenarbeit, um Steuerhinterziehung zu vermeiden. Aber einen konkreten Arbeitsauftrag an die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), eine verbindliche Mindeststeuer für Hochvermögende zu erarbeiten, erteilten die G20-Regierungen nicht. Es könnte Jahre dauern, bis solch eine Steuer tatsächlich kommt. Auch deswegen ist es wichtig, parallel eine nationale Vermögensteuer für Superreiche voranzutreiben. Das ist auch deshalb gut möglich, weil Steuerflucht mittlerweile deutlich schwieriger geworden ist (vgl. Frage «… ziehen die Reichen dann einfach weg?»).