Dokumentation Das Geiseltal – Beispiel einer gelungenen Transformation

Bildungsreise vom 31.05. bis 02.06.2024

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Am Beispiel der „Bergbaufolgelandschaft Geiseltal“ ging die 14 Teilnehmende umfassende Gruppe der Frage nach, wie Transformationsprozesse - in diesem Fall einem ehemaligen Braunkohletagebau und dem damit verbundenen Industrierevier – gestaltet werden können, welche konkreten Ergebnisse sie erzielen und welche Konsequenzen die ansässige Bevölkerung zu tragen hat.

Zu Beginn des Wochenendes wurden am Freitagabend verschiedene Aspekte von Transformationsprozessen beleuchtet. Dazu wurden Beispiele aus der Geschichte (u.a. die Erfindung der Dampfmaschine, die damit verbundenen gesellschaftlichen Konflikte und ihre Folgen) vorgestellt. Dabei wurde hervorgehoben, dass Transformationsprozesse stets konfliktreich verlaufen, da in der Regel nicht alle Menschen und Unternehmen von den Veränderungen profitieren. Gerade in Zeiten des Klimawandels ist dies zu berücksichtigen.

Diese aktuellen Fragen wurden in der Diskussion ausführlich thematisiert. Unter anderem wurde der Nutzen von Wind- und Solarenergie in Frage gestellt und für eine Renaissance der Atomenergie geworben. Im weiteren Kontext wurde auch die Notwendigkeit eines vorhergehenden gesellschaftlichen Wandels ins Gespräch gebracht. Die Diskussion verlief somit durchaus lebendig.

Am Samstag war die Wetterlage problematisch, was zu einer leichten Programmänderung führte.

Zunächst wurde jedoch das Museum der Zentralwerkstatt Pfännerhall besucht. In einer Führung und einem kleinen Vortrag wurden die Geschichte des Braunkohlebergbaus und des benachbarten Industriegebiets vorgestellt. Für den Tagebau wurden im Verlauf der Industrialisierung 17 Dörfer ganz oder zum Teil abgerissen und die Bevölkerung in andere Gebiete umgesiedelt. Viele Menschen, die keine Arbeit in der Region fanden, verließen diese. Das zentrale Industrieobjekt war das Mineral- und Schmierölwerk Lützkendorf mir seinen verschiedenen Werken in Braunsbedra und Umgebung. Hierfür wurde in Braunsbedra extra ein großer Bahnhof gebaut. Tausende Menschen arbeiten in den verschiedenen Werken, zum Teil kamen die Arbeiter auch aus den naheliegenden Städten Halle und Merseburg. Seine Höchstproduktion erreichte das Werk 1944 u.a. wegen des hohen Bedarfs für die Kriegsführung des faschistischen Deutschlands. Nach schweren Bombenangriffen war das Werk 1945 zu 80% zerstört.

Nach dem Krieg begann der Neuaufbau. Teilweise wurden Maschinen in die Sowjetunion überführt. Im Jahr 1949 begann für das Werk und die Menschen eine neue Etappe der Produktion. In den 60er Jahren wurde deutlich, dass die Braunkohlevorräte zu Ende gehen. Die Produktion wurde auf die Nutzung von Öl umgestellt und ein neues Kraftwerk errichtet. Im Jahr 1964 arbeiteten rund 4.000 Menschen im Werk. Hinzu kamen 300-400 Lehrlinge, die hauptsächlich für BMSR-Technik ausgebildet wurden. 2006 endete die Geschichte des Mineralölwerks mit seinem Abriss. Die Arbeitenden wurden umgeschult oder arbeitslos.

Bereits während der Produktion waren erhebliche Umweltbeeinträchtigungen zu beobachten. Wie in vielen Industriezonen (aber auch Städten) der DDR waren die Luftverhältnisse zum Teil katastrophal. Im Erdreich befinden sich bis heute enorme Mengen Öl, die in Folge der anglo-amerikanischen Bombenangriffe während des zweiten Weltkrieges versickerten. Diese und andere Altlasten wurden sich selbst überlassen, wodurch das Erdreich bis heute an viele Stellen kontaminiert ist.Zum Schutz des Sees vor zuströmendem kontaminiertem Grundwasser wurde eine rund 800 m lange Dichtwand in bis zu 35 m Tiefe errichtet.

Heute befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Mineralölwerks eines der größten Solarfelder des Landes Sachsen-Anhalt. In der Zukunft soll im Gewerbegebiet Braunsbedra unter anderem eine Recyclingfirma angesiedelt werden. Geplant ist weiterhin ein weiterer Solarpark, mit dem ein Digitalspeicherwerk betrieben werden soll.

Ein zweites Standbein stellt die Entwicklung des Tourismus um den seit 2011 gefüllten ehemaligen Tagebau dar. Marinas, Naturschutzgebiete (u.a. mit 108 Brutvogelarten, vielen Durchzüglern, Fischen, Insekten usw.) und ein Weinberg sind bereits entstanden. Eine Erweiterung ist geplant. Wobei bereits erste Warnungen vor einer Übernutzung der Landschaft ausgesprochen werden.

Am Sonntag wurde das Museum für Vorgeschichte in Halle besucht. Dort wurden bei einer Führung zwei historische Transformationsszenarien vorgestellt: Erstens, das Leben des Homo Erectus in der Altsteinzeit und zweitens, anhand der Geschichtsverläufe, in der Zeit der Himmelsscheibe von Nebra. Jedenfalls soweit bekannt. Dabei wurde erläutert und unterstrichen, dass Innovationen zu allen Zeiten Teil von Transformationsprozessen waren. In der Altsteinzeit das Feuer, die Kleidung und die Unterkunft in Hütten. Im Neolithikum war es eine Einwanderungswelle, welche neue Technologien aus dem Osten Europas mitbrachte. In dieser Zeit entstanden jedoch auch erste Formen von Herrschaftsstrukturen und Krieg.

Ein abschließender wichtiger Aspekt bestand in der Schilderung, wie Klimaveränderungen (in diesem Fall eine Abkühlung) zu erheblichen gesellschaftlichen Veränderungen führten. Die Abkühlungen entwickelten sich als Folge von Vulkanausbrüchen z.B. über den Aleuten im Jahr 1.628 v.u.Z. Die Folge waren Missernten, Umstürze und Aufstände, Kriegshandlungen. Im konkreten Fall endete im besuchten Territorium die Aunjetizer Kultur. Die Kaltzeit dauerte ca. 300 Jahre und ging in die Spätbronzezeit über.

Die zahlreichen Beispiele dieser Reise führten den Teilnehmenden vor Auge, welche Transformationsprozesse in den bevorstehenden Zeiten notwendig sind bzw. auf die Menschheit zukommen. Die entscheidende Frage ist, ob sie diese Prozesse gestalten kann oder ob sie auf mittlere Sicht wegen der Verweigerung von notwendigen gesellschaftliche Veränderungen scheitern wird.

Für die Teilnehmenden waren es beindruckende Erfahrungen, was in der abschließenden Auswertung auch so formuliert wurde.

Bernd Löffler

Bild

: Gabriele Henschke