Das Symposium findet am 23. und 24. Oktober 2015 in den Räumlichkeiten des Institut Français und in der Landeszentrale für politische Bildung in Mainz statt.
Die Vorstellung eines Endes der Geschichte ist zentral für Walter Benjamins Denken und Werk. Sie ist Bedrohung und Versprechen zugleich, ohne die Brisanz, die in diesem gleichzeitigen Gegeneinander liegt, zu verharmlosen.
Was zu aller erst als geschichtsphilosophischer Ansatz zu bedenken ist, führt schon mit Blick auf dessen Fragwürdigkeit über den engen Rahmen geistesgeschichtlicher Interpretation hinaus: das Ende der Geschichte schließt deren Verlauf positiv ab und ist zugleich sogar das Versprechen auf eine Erlösung von dieser. Gleichermaßen aber ist diese radikale Zäsur alles bisher Gewesenen auch die/eine Katastrophe: Ende im Sinne von Vernichtung. Dafür steht nicht zuletzt Benjamins Suizid im Jahre 1940 ein. Aber andererseits vermag nur das Außergewöhnliche dieses Denk- und Politikansatzes sich der Vehemenz dieser Bedrohung entgegen zu stellen.
Wir wollen die hier nur anzudeutenden Schwierigkeiten in sehr unterschiedlichen methodischen Wegen angehen:
Zunächst soll am Freitag ein einleitender Vortrag Benjamins testamentarischen Text Über den Begriff der Geschichte in seinem biographischen und historischen Kontext vorstellen (Vortrag Gérard Raulet). Das hohe Maß der künstlerischen Expressivität dieses Textes und den theoretischen Anspruch den Benjamin an die ästhetische Dimension knüpft, können an seiner Auseinandersetzung mit Paul Klee (vor allem mit dem Bild Angelus Novus) gut nachvollzogen werden (Vortrag Gregor Wedekind).
Ausgehend von diesen beiden Vorlagen soll Benjamins Text dann am Samstag interpretatorisch und kritisch weiter bearbeitet werden. Einer vertiefenden Einleitung in die editorischen und hermeneutischen Details seiner Edition durch Gérard Raulet folgt Frank Voigts Untersuchung zu Benjamins Studium der Zeitschrift DIE NEUE ZEIT, die das Konzept seines historischen Materialismus zeitgenössisch verdeutlicht. Daran anschließend wird die Kontroverse zwischen einem positiv utopischen und einem negativ kritischen Geschichtsdenken zu diskutieren sein.
Wird Geschichte einmal als revolutionäres Geschehen entwickelbar (Vortrag Marcus Hawel) so widerspricht dieser erlösenden Vision der kontinuierliche Prozess historischer Unterdrückung, der im Begriff der Opfer kulminiert (Vortrag Caroline Heinrich). Anschließend wird nachzufragen sein, ob angesichts dieses Widerspruchs, der als einer der Geschichte selbst zu begreifen ist, die Möglichkeit einer Rettung überhaupt noch besteht.
Anknüpfend an den zu Benjamins Überlegungen zeitlich parallel entwickelten Gedankens Freuds aus seinem letzten Buch „Der Mann Moses“ werden Elemente eines rettenden Diskurses in einem ihn bedrohenden Kontext rekonstruierbar (Vortrag Thomas Schröder). Leistet Freud eine Kritik (Würdigung und Infragestellung) des Monotheismus angesichts dieser tatsächlich letzten Fragen, so soll, daraus sich entwickelnd, das theologische Moment in Benjamins Denken thematisiert werden. Die Religionssoziologie Richard Fabers rekonstruiert dazu in zahlreichen Publikationen die Materialien und betreibt deren kritische Kommentierung.
Im Anschluss daran wird Heike Demmel die Tablet-PC und Smartphone Anwendung "historia viva: Walter-Benjamin" präsentieren.
Walter Benjamin auf Tablet und Smartphone? Der Walter-Benjamin-Weg über die Pyrenäen, vom französischen Banyuls-sur-Mer ins nordspanische Portbou erinnert an Benjamins letzten Weg. Die App begleitet auf der Wanderung: Elf multimediale Stationen zu Benjamins Leben und Werk, zur Flucht vor dem Nationalsozialismus, zu Exil, Fluchthilfe und zum Grenzort Portbou. Wer den Walter-Benjamin-Weg wandert kann sich unterwegs von der neu entwickelten App Texte, Töne, Bilder und Videos anzeigen lassen. Zu Hause kann vertiefend im Internet weitergelesen werden.
Website und Hinweise zur Installation der App: http://historia-viva.net/
Als Referent/innen wirken mit:
- Prof. Dr. Gérard Raulet (Paris)
- Prof. Dr. Gregor Wedekind (Mainz)
- Prof. Richard Faber (Berlin)
- Dr. Marcus Hawel (Berlin)
- Prof. Dr. Caroline Heinrich (Paderborn)
- Dr. Thomas Schröder (Mainz)
- Frank Voigt (Potsdam)
- Heike Demmel (Erlangen)
-Thomas Schröder- im August 2015
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