Angelika Timms grundlegende Untersuchung, die zudem auch mit einem Dokumentenanhang punktet, ist bis heute die umfassendste Darstellung des Verhältnisses der DDR zu Judentum, Zionismus, Shoa, Restitution und «Wiedergutmachung» und insbesondere zu Israel.
Letzteres steht im eigentlichen Zentrum der Recherchen, was einige Weichenstellungen für diese umfangreiche Analyse von Aktenbeständen und Interviews mit Zeitzeug*innen bedingte. Insbesondere wird im Buch herausgestellt, dass man zum Verständnis der ostdeutschen Politik gegenüber dem (mehrheitlich) jüdischen Staat das schwierige Verhältnis der Linken zu Judentum und Zionismus sowie das Erbe des Nationalsozialismus in die Analyse einbeziehen muss. Zusätzlich seien aber auch noch ganz andere Faktoren zu berücksichtigen, die gleichzeitig erheblichen Einfluss ausgeübt hätten.
Zu den wichtigsten Bestimmungsfaktoren der DDR-Israelpolitik gehören demnach zuerst das Streben nach internationaler Anerkennung und völkerrechtlicher Legitimierung, zweitens die Unterordnung unter die außenpolitischen Vorgaben des Warschauer Paktes, der RGW-Staaten und insbesondere der UdSSR sowie drittens die Abgrenzungsbestrebungen der deutsch-deutschen Außenpolitik im Kalten Krieg.
Das Buch folgt in seiner Darstellungsweise der Chronologie der Ereignisse, unterbrochen von sachlich gegliederten Exkursen. Am Beginn steht ein sich als antifaschistisch verstehender Staat in Gründung, wobei es zunächst recht unterschiedliche beziehungsweise widersprüchliche Umgangsweisen der ostdeutschen Länder mit den Folgen des Nationalsozialismus gab. Die DDR-Führung machte Jüdinnen und Juden zu Opfern zweiter Klasse, zudem wurde sich – ausgehend von einer ökonomistisch verkürzten Faschismusanalyse und von der tiefen Überzeugung, dass man selbst auf der richtigen Seite der Geschichte stand – nur höchst mangelhaft mit dem antisemitischen Erbe innerhalb der Arbeiter*innenbewegung und vor allem innerhalb des eigenen Staatsvolkes auseinandergesetzt und die Shoah nur spät und unzureichend ihrer Bedeutung gemäß gewürdigt.
Die antisemitischen Schauprozesse in Osteuropa Anfang der 1950er Jahre führten auch in der DDR zu antisemitisch konnotierten Vorkommnissen, insbesondere zu Parteisäuberungen gegen West-Remigrant*innen, mit der Folge einer Abwanderung vieler Jüdinnen und Juden. Zeitgleich wurden aber antisemitische Vorfälle in der Bevölkerung hart bestraft. Jüdische Gemeinden wurden akzeptiert, zum Teil auch gefördert und nicht zuletzt im Sinne strategischer Überlegungen der SED-Führung für unterschiedliche Zwecke instrumentalisiert. Die Weigerung, eigene Verantwortung für NS-Verbrechen beziehungsweise deren Folgen anzuerkennen, verhinderte jedoch Entschädigungszahlungen an die Opfer, auch wenn es seit den 1970er Jahren hierüber Verhandlungen mit jüdischen Organisationen gab. Dies stellte ein dauerhaftes Hindernis für die Aufnahme von offiziellen Beziehungen zwischen der DDR und Israel dar.
Maßgeblich hierfür waren jedoch auch die Blockkonfrontation (innerhalb derer sich Israel spätestens seit dem Koreakrieg mit großer Deutlichkeit auf Seiten des Westens verortete) und das Werben des Ostblocks um die arabischen Länder. Es gab vonseiten der SED auch eine nachdrückliche Unterstützung der arabischen Seite während der Kriege im Nahen Osten, in der eine aggressive Rhetorik «keinerlei Sensibilität für das belastete deutsch-jüdische oder deutsch-israelische Verhältnis» (S. 384) erkennen ließ. Die Existenzberechtigung Israels wurde jedoch immer wieder explizit anerkannt, aber mit der Forderung nach dem Rückzug aus den besetzten Gebieten und nach Anerkennung der Palästinenser*innen als Völkerrechtssubjekt verbunden.
Trotz teilweise hasserfüllter Töne, zum Beispiel in der Berichterstattung in DDR-Medien, unterstützte die DDR-Führung im Verhältnis zu den Palästinenser*innen immer die «realistischen Standpunkte». Sie versuchte sogar mäßigend gegen allzu nationalistische, terroristische und anti-israelische Standpunkte vorzugehen. «Nationalistische Konzeptionen der palästinensischen Widerstandsorganisationen, die eine Liquidierung des Staates Israel beinhalten, werden nicht unterstützt» (S. 277), erklärte das Politbüro in einem «Maßnahmeplan». Der Anschag auf die israelische Nationalmannschaft während der olympischen Sommerspiele von München im Jahr 1972 wurden klar verurteilt. Erst kurz vor dem Ende der DDR kündigte sich schließlich eine Normalisierung der Beziehungen im Rahmen der Politik der «friedlichen Koexistenz» an, wobei Glasnost und Perestroika, wirtschaftliche Erwägungen und das Streben Erich Honeckers nach internationaler Repräsentation eine maßgebliche Rolle gespielt haben dürften.
Angelika Timm: Hammer, Zirkel, Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel, Bonn 1997: Bouvier.