Kommentar | COP26 Anpassung und klimabedingte Schäden und Verluste in den Klimaverhandlungen

Ein Anstieg der Temperatur um mindestens 1,5 Grad ist sicher – die COP26 muss sich endlich um die Folgen kümmern, die das für den Globalen Süden und die ärmsten Bevölkerungsgruppen weltweit hat

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Einheimische in Tebikenikora, einem Dorf im pazifischen Inselstaat Kiribati, das durch den Klimawandel stark bedroht ist. CC BY-NC-ND 2.0, Foto: UN Photo/Eskinder Debebe

Worum geht es?

Der 6. Sachstandsbericht zum Klimawandel des Weltklimarats (IPCC) enthält die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Ausmaß der beobachteten und zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels. Das UN-Gremium, das sich aus den renommiertesten Klimawissenschaftler*innen weltweit zusammensetzt, macht deutlich, dass die schlimmsten Folgen durch tiefgreifende Klimaschutzmaßnahmen zwar noch abgewendet werden können, andere jedoch unvermeidlich sind und teilweise bereits auf uns zukommen. Bei einer Erwärmung von etwas über 1 Grad Celsius zerstört der Klimawandel bereits Leben und Lebensgrundlagen, vor allem die der ärmeren Bevölkerungsgruppen weltweit. Da das Ziel, den Temperaturanstieg auf weniger als 1,5 °C zu begrenzen, außer Reichweite zu sein scheint, sind dringend Maßnahmen erforderlich, um die Auswirkungen des unaufhaltsamen Klimawandels abzuwenden, abzumildern und damit umzugehen.

Tetet Lauron lebt auf den Philippinen und ist als Beraterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung tätig. 

David Williams ist Programmleitung für das Thema Klimagerechtigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und wird bald von New York aus arbeiten.

Der Klima-Rahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) zufolge, bedeutet Anpassung die akute und zukünftige Entwicklung von Lösungen und die Durchführung von Maßnahmen zur Verringerung der möglichen Schäden durch Klimafolgen. Während der Klimawandel alle Menschen auf der Welt betrifft, sind arme Bevölkerungsgruppen, insbesondere in armen Ländern, stärker gefährdet. Gemeinschaften im Globalen Süden, die bereits mit Armut, Arbeitslosigkeit, fehlendem Zugang zu Land und sozialen Sicherungssystemen zu kämpfen haben, bekommen die Auswirkungen des Klimawandels in Form von Dürren, Überschwemmungen oder Hitzewellen viel stärker zu spüren als die Bevölkerung der Industrieländer. Daher stellt der Klimawandel einen zusätzlichen Belastungsfaktor dar, der die bereits bestehenden Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten noch verschärft. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die am stärksten Betroffenen gleichzeitig diejenigen sind, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Auf den UN-Klimakonferenzen (COPs) ist die Anpassung ein heikles Thema, weil die dafür nötigen finanziellen Mittel bisher nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden. Auf der COP in Kopenhagen 2009 verpflichteten sich die reichen Länder, bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutzmaßnahmen in den Entwicklungsländern bereitzustellen – was bis heute nicht geschehen ist. Auch diese Summe reicht absolut nicht aus, denn für die Bewältigung der Folgen des Klimawandels und für den Übergang zu einer umweltfreundlicheren Lebensweise werden Billionen benötigt. Die reichen Länder haben es nicht nur versäumt, dieses Versprechen einzulösen, sie haben auch Kredite und private Finanzmittel in ihren Beitrag zur Klimafinanzierung eingerechnet, um zumindest den Anschein zu erwecken, dass sie die eigenen Zusagen nur knapp verfehlen. Ob sinnvolle und wirksame Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden können, hängt schließlich immer an der Kernfrage der unzureichenden Ressourcen in den Entwicklungsländern und der mangelnden Bereitschaft von Industrieländern, ihren Verpflichtungen zur Klimafinanzierung nachzukommen.

Der jüngste IPCC-Bericht macht deutlich, dass eine Anpassung an einige Auswirkungen des Klimawandels nicht möglich sein wird. Das Ausmaß der klimabedingten Extremwetterereignisse wird so groß sein, dass kein Geldbetrag die damit verbundenen Zerstörungen verhindert kann. Landwirtschaft, die von gletschergespeisten Flüssen abhängig ist, wird beispielsweise nicht fortgeführt werden können; starke Überschwemmungen oder Hitzewellen werden für die Bewohner*innen von informellen Siedlungen nicht auf Dauer tragbar sein; und kleine Inselgemeinschaften werden sich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr an den Anstieg des Meeresspiegels anpassen können. In einigen Fällen sind die Grenzen der Anpassung bereits erreicht, wie das Beispiel der weltweit ersten Klimaflüchtlinge in Kiribati zeigt: Hier kommt das Konzept von «klimabedingten Schäden und Verlusten» ins Spiel, das sich auf die irreversiblen Zerstörungen bezieht, die die betroffenen Regionen durch den Klimawandel erfahren. Auf der COP19 wurde der Internationale Warschau-Mechanismus geschaffen (Warsaw International Mechanism for Loss and Damage associated with Climate Change Impacts, WIM), der sich klimabedingten Schäden und Verlusten in Entwicklungsländern widmen soll, was sowohl einzelne Extremereignisse als auch sich langsam anbahnende Ereignisse einschließt. Dieser Ansatz wurde 2015 in Artikel 8 des Pariser Klimaabkommens bekräftigt. Die prognostizierten wirtschaftlichen Kosten von klimabedingten Schäden und Verlusten belaufen sich bis 2030 allein in den Entwicklungsländern auf 290 bis 580 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Hinzu kommen Kosten, die sich nicht in Geld umrechnen lassen, wie der Verlust von Kultur, Sprache oder kulturellen Erbes.

Theoretisch sollte die Anerkennung von Verlusten und Schäden als dritte Säule des Klimaschutzes den Fluss von Finanzmitteln in die betroffenen Länder verbessern, auf die direkte Verantwortung und Haftung der Industrieländer wird in den Dokumenten jedoch nicht verwiesen. Es gibt derzeit kein Modell, um den Umfang der benötigten Mittel zu berechnen, oder überhaupt einen Ansatz, um überhaupt Gelder für klimabedingte Schäden und Verluste zu mobilisieren.

Was fordern wir von der diesjährigen Klimakonferenz?

Die COP26 muss sicherstellen, dass die gravierenden Lücken zwischen Zielen und deren Finanzierung geschlossen werden. Der Gipfel muss dringend Maßnahmen beschließen, die auf die existenziellen und akuten Bedrohungen durch den Klimawandel reagieren und den Bedürfnissen der am stärksten Betroffenen gerecht werden. Auch wenn das notwendig und überfällig ist, dürfen wir darüber nicht vergessen, dass eine radikale Umgestaltung der bestehenden ungerechten Systeme nötig ist. Das ist die einzige wirkliche Lösung, um den Zusammenbruch der Ökosysteme der Erde zu verhindern.

Obwohl hochrangige Politiker*innen immer wieder die Notwendigkeit von Solidarität betonen, gibt es im Rahmen des UNFCCC kein Verfahren zur finanziellen Unterstützung von Menschen, die von den Folgen des Klimawandels betroffen sind oder deshalb fliehen müssen.

Folgende Punkte müssen die Regierungen auf dem Gipfel beschließen:

  • mehr Finanzmittel, die den Bedürfnissen der gefährdeten Länder und Gemeinschaften gerecht werden, damit sie sich erholen und ihre Lebensgrundlagen wieder aufbauen können;
  • ein neues, viel umfassenderes langfristiges Ziel für die Klimafinanzierung ab 2025 und einen entsprechenden Plan;
  • dass mindestens 50 Prozent der Klimafinanzierung in Anpassungsmaßnahmen gehen;
  • dass Verluste und Schäden zu einem ständigen Tagesordnungspunkt der Klimakonferenz gemacht werden, damit sie den politischen Stellenwert erhalten, den sie verdienen;
  • dass das Santiago-Netzwerk für klimabedingte Schäden und Verluste operationalisiert werden muss, um einen Prozess zu schaffen, der die angemessene Mobilisierung und Verteilung von Finanzmitteln für Verluste und Schäden an gefährdete Länder ermöglicht;
  • dass eine eigene Einrichtung für klimabedingte Schäden und Verluste geschaffen wird.

Gemeinschaften, die bereits heute mit Schäden und Verlusten aufgrund zunehmender und  sich verstärkender Klimafolgen leben, müssen nach Katastrophen oder Ereignissen wie dem Meeresspiegelanstieg oder Dürren bei der Erholung, dem Wiederaufbau oder der nötigen Umsiedlung unterstützte werden.