Begriffe wie «Strommarktdesign» oder «Merit Order» hatten die letzten Monaten Konjunktur. Selbst an manchen Stammtischen wurde diskutiert, was sonst nur Experten verhandelten. Kein Wunder, schließlich schossen wegen der explodieren Gaspreise nicht nur die Wärmerechnung in den Himmel, sondern auch der Strompreis. Warum, verdammt nochmal, steigt meine Stromrechnung, wo doch zumindest Sonne und Wind nicht teurer werden?
Je weiter die Energiewende voranschreitet, desto stärker nimmt die Bedeutung des Elektrizitätssektors und seiner Regulierung zu. Energie wird zunehmend dezentral über Hunderttausende wetterabhängige Ökostromkraftwerke «geerntet», während fossile und atomare Meiler einer zentralistischen Erzeugungsweise vom Netz gehen. Bereits das stellt neue Anforderungen an das das Management von Windrädern, Solarpanelen, Netzen, Speichern und Verbrauchsanlagen. Dazu zählen auch neu zu justierende Rahmenbedingungen im Strommarkt, die gewährleisten müssten, dass der Einsatz dieser Ressourcen zu jeder Stunde so ökologisch und preiswert erfolgt wie möglich. Preismechanismen und Vertragsgestaltungen spielen dabei eine große Rolle.
Die Bedeutung des Stromsektors nimmt auch zu, weil viele technische Anwendungen, die heute mit Kohle, Öl und Gas betrieben werden, künftig basierend auf Ökostrom oder grünen Gasen funktionieren: Ökostrom treibt Elektroautos und Wärmepumpen an, grüner Elektrolyse-Wasserstoff zieht in den Chemiesektor ein und ersetzt in der Stahlherstellung Koks als Reduktionsmittel. Um die Refinanzierung des dafür notwendigen Ausbaus der neuen Infrastruktur auch aus dem Markt selbst zu sichern, braucht es neue Regeln für Strom-Handelsgeschäfte.
Zudem – das hat die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise gezeigt – führt das jetzige Design des Strommarktes bei Preisschocks von außen zu hohen leistungslosen Übergewinnen bei den meisten Stromerzeugern - auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ursache ist die Verbindung des Gasmarktes mit dem Strommarkt (Stichwort «Merit Order»). Die Abschöpfung der Übergewinne läuft in ihrer gegenwärtigen staatlichen Ausgestaltung komplett ins Leere.
Die enormen Übergewinne waren nun auf europäischer Ebene Anlass, eine schon deutlich länger geplante Reform des Strommarktdesigns anzuschieben. Dafür will die EU-Kommission am 14. März Vorschläge vorlegen. In Deutschland startet ebenfalls im März zum Strommarktdesign die Arbeit der vier Arbeitsgruppen der «Plattform Klimaneutrales Stromsystem». Die Auftaktveranstaltung des Bundeswirtschaftsministeriums dafür im Februar lässt leider befürchten, dass gerade jene Aspekte unter den Tisch fallen könnten, welche sich um die Abschöpfung beziehungsweise Verhinderung von Übergewinnen drehen. Die deutsche Energiewirtschaft sträubt sich dagegen, auch die Erneuerbare. Ein Grund mehr, sich dem wichtigen Thema etwas detaillierter zuzuwenden.
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