Einen Tag später als geplant fand die UN-Klimakonferenz in Dubai am 13. Dezember mit einem Konsens ihr Ende, der weder die Erwartung eines vollständigen Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen noch einer Abnahme der Emissionen ab 2025 erfüllt.
Dieser unbefriedigende Minimalkompromiss zeugt vom diplomatischen Vorgehen der beteiligten Staaten, die um jeden Preis zu einem Ergebnis kommen wollten. Die Diskrepanz zwischen den Stellungnahmen der Vertreter*innen von Regierungen und denen der Zivilgesellschaft unterstreicht die wachsenden Meinungsverschiedenheiten, was sinnvolle Klimaschutzmaßnahmen angeht. Angesichts der Tatsache, dass 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein wird, kann die Dringlichkeit der Klimakrise nicht geleugnet werden – doch zu viele Regierungen tun weiterhin genau das.
David Williams ist Leiter des Programms für Klimagerechtigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York.
Tetet Lauron lebt auf den Philippinen und arbeitet als Berater im New Yorker Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Nadja Charaby ist Leiterin des Referats Internationale Politik und Nordamerika bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Beraterin für Klimapolitik.
Geopolitische Zerwürfnisse
Klimaschutzverhandlungen finden nie in einem politischen Vakuum statt. Das gilt auch für die Vertragsstaatenkonferenzen (COP) der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC), die jedes Jahr an einem anderen Ort stattfinden. Die Verhandlungen selbst und die Begleitumstände der COP26 in Glasgow waren von der COVID-Pandemie geprägt. Die COP27 in Sharm el Sheikh wurde durch die russische Invasion der Ukraine und die grausame Menschenrechtsbilanz der ägyptischen Regierung überschattet. In diesem Jahr lösten der Krieg im Gazastreifen und die unerbittliche Bombardierung des palästinensischen Volkes zahlreiche Debatten aus.
Der Krieg sorgte an den ersten Tagen der Konferenz für diplomatische Spannungen, als die geplanten Reden von Mahmoud Abbas, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, und dem israelischen Staatspräsidenten Isaac Herzog mit dem Ende des viertägigen humanitären Waffenstillstands zusammenfielen und infolgedessen abgesagt wurden. Für die Zivilgesellschaft und die sozialen Bewegungen war der Krieg das beherrschende Thema während der Verhandlungen. Erstere sah sogar einen direkten Zusammenhang der Völkerrechtsverletzungen im Gazastreifen mit Klimagerechtigkeit. So verknüpften zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen ihre Forderungen in Bezug auf die Klimakrise mit Appellen für einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende der israelischen Besatzung.
Zwischen den internationalen Bewegungen zeichnet sich außerdem ein Zerwürfnis ab. Vertreter*innen mehrerer deutscher Organisationen wollten sich bestimmten Protesten in Solidarität mit den Palästinenser*innen nicht anschließen. Dieses Phänomen bleibt nicht auf die Klimagerechtigkeitsbewegung beschränkt und stellt die zukünftige internationale Zusammenarbeit vor größere Herausforderungen – zumindest große Teile der deutschen Klimabewegung und Umwelt-NGOs.
Eine zentrale Rolle für die Organisation der Zivilgesellschaft spielte auch die äußerst fragwürdige Menschenrechtssituation in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Während Proteste am Veranstaltungsort der COP28 in Übereinstimmung mit den Regeln der UNFCCC erlaubt waren, womit das Gastgeberland sein Image aufbessern wollte, gab es abseits davon keinen Platz für Demonstrationen oder alternative Veranstaltungen.
Verlust und Diplomatie
Vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen wurde das Inkrafttreten des Fonds für Klimaschäden und -verluste auf dem Eröffnungsplenum angekündigt; dies wurde als ein wichtiger Erfolg der diplomatischen Bemühungen des Gastgeberlandes gewertet. Der Fonds wurde auf der COP27 in Ägypten vereinbart, um gefährdete Ländern und gesellschaftliche Gruppen in Entwicklungsländern zu unterstützen, die mit den Auswirkungen des Klimawandels wie Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen oder Stürmen konfrontiert sind.
Zwar gibt es nach wie vor Vorbehalte gegen die geplante Form des Fonds, etwa hinsichtlich seiner vorläufigen Verortung bei der Weltbank, der Freiwilligkeit der Beiträge und der Unklarheit darüber, wer wie viel einzahlen wird. Das Inkrafttreten des Fonds für Klimaschäden und -verluste bedeutet dennoch einen großen Erfolg für die zivilgesellschaftlichen Bewegungen, vor allem aus dem Globalen Süden, die jahrelang Druck gemacht haben, damit ein solcher geschaffen wird. Insgesamt wurden 700 Millionen US-Dollar für den Fonds zugesagt, darunter jeweils 100 Millionen US-Dollar aus den VAE und Deutschland. So bemerkenswert diese frühzeitigen Zusagen auch sein mögen, sie sind angesichts der 400 Milliarden US-Dollar, die tatsächlich jedes Jahr benötigt werden, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Diese frühe Entwicklung ermöglichte es den Delegierten und Beobachter*innen, sich auf den Global Stocktake (Globale Bestandsaufnahme) zu konzentrieren, den viele als den entscheidenden Punkt auf der Agenda der diesjährigen Verhandlungen ansahen. Der Global Stocktake soll die Fortschritte festhalten, die bei der Umsetzung des Pariser Abkommens erreicht wurden; dazu gehört auch das Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 C zu begrenzen. Die Defizite, die bei dieser Evaluation festgestellt werden, sollen als Grundlage dienen für die künftige Gestaltung der Klimapolitik der beteiligten Staaten.
Die wichtigsten Streitpunkte waren hier die Formulierungen zu fossilen Brennstoffen. Saudi-Arabien stritt ab, dass es eine wissenschaftliche Grundlage für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gebe; weltweite Empörung sorgte aber vor allem, dass bekannt wurde, dass Sultan Al Jaber, der COP-Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate und Geschäftsführer der Abu Dhabi National Oil Corporation (ADNOC), diese zweifelhafte Meinung teilte. In den Verhandlungen wurde darum gestritten, ob ein «Phasedown» (eine Reduktion) oder ein «Phaseout» (ein Ausstieg) fossiler Brennstoffe erforderlich sei, und ob von «fossilen Brennstoffen», «Emissionen aus fossilen Brennstoffen» oder «unabated fossil fuels», also dem Verbrennen fossiler Brennstoffe, deren Emissionen „ungefiltert“ in die Atmosphäre gelangen, die Rede sein soll. Die beiden letztgenannten Begriffe sind deshalb kritisch zu betrachten, weil sie den Einsatz unerprobter und umstrittener Prozesse der CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) ermöglichen sollen.
Übergang auf dem Papier
Die Bedeutung einer Just Transition, eines gerechten Übergangs zu saubereren Energiequellen, wurde zwar anerkannt. Doch ohne eine entsprechende Finanzierung, die es auch Entwicklungsländern ermöglicht, eine solche umzusetzen, sind das nur leere Worte. Ein früher Entwurf zu künftigen Klimaschutzmaßnahmen wurde so negativ aufgenommen, dass Vertreter*innen aus Samoa und der Marshallinseln ihn als «Todesurteil» bezeichneten.
Nachdem die Verhandlungen um einen Tag verlängert wurden, sorgte Sultan Al Jaber für eine Überraschung. Innerhalb weniger Minuten ließ er auf der Abschlusssitzung über den Global Stocktake entscheiden, was bedeutete, dass der Text angenommen wurde. Die Teilnehmer*innen lobten ihn für sein Verhandlungsgeschick in letzter Minute. Doch es gab auch scharfe Kritik von kleinen Inselstaaten, die sich beschwerten, dass sie dadurch keine Möglichkeit hatten, sich angemessen in den Prozess einzubringen.
Außerdem bemängelten sie, dass die Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichten, weil die Entscheidung zum Ausstieg aus der Produktion fossiler Brennstoffe nicht klar und eindeutig genug sei. Im Abschlusstext ist nur von einer Abkehr von fossilen Energiesystemen die Rede, um bis 2050 die globale Klimaneutralität erreichen zu können. Nicht erwähnt wird, dass die Emissionen nach den Erkenntnissen des Weltklimarates bis 2025 ihren Höhepunkt erreichen müssen. Für kleine Inselstaaten, deren Existenz durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht ist, ist dies eine Frage des Überlebens.
Der Text enthält daneben fragwürdige Ansätze zur Reduzierung von Treibhausgasen, etwa den Einsatz von CCS-Technologien oder Atomkraft. Kolumbien und Bolivien kritisierten Schlupflöcher, die den Abbau fossiler Brennstoffe weiter ermöglichen, Kohlenstoffmärkte, die koloniale Ausbeutungsverhältnisse fortführen, und eine globale Energiewende, deren Rohstoffhunger indigene Gemeinschaften und Gebiete bedroht. Für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, so die Kritik, benötigten Entwicklungsländer außerdem finanzielle Unterstützung, insbesondere angesichts der wachsenden Verschuldung der Länder des Globalen Südens und der steigenden Kosten, die ihnen aufgrund der Folgen des Klimawandels entstehen.
Ein weiteres Schlüsselelement der diesjährigen Verhandlungen waren Diskussionen über Anpassungsmaßnahmen. Diese sind für insbesondere für die Entwicklungsländer, die am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, von großer Bedeutung. Für die 3,6 Milliarden Menschen, die durch den Klimawandel stark gefährdet sind, geht es bei Anpassung um den Versuch, Schäden durch Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen oder Stürme zu vermeiden. Vor allem die Festlegung des globalen Anpassungsziels, ein Prozess, der 2015 auf Vorschlag der Afrikanischen Gruppe der Verhandelnden (AGN) eingeführt wurde, sollte auf der COP28 abgeschlossen werden.
Erwartungen und Realität
Ein entscheidender Aspekt bei der Umsetzung von Anpassung ist Frage der Finanzierung. Nach dem kürzlich veröffentlichten UN Adaptation Gap Report belaufen sich die Kosten von Anpassungsmaßnahmen allein in den Entwicklungsländern auf geschätzt rund 215 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Die tatsächlich bereitgestellte Anpassungsfinanzierung ist jedoch auf 21 Milliarden gesunken. Viele Diskussionen auf der COP28 drehten sich daher um die Notwendigkeit, die Anpassungsfinanzierung aufzustocken, und darum, wer sie bereitstellen sollte.
In diesem Zusammenhang bestanden die US-Verhandlungsführer*innen darauf, Verweise auf den Grundsatz der «gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung» zu streichen. Dieser Passus aus der Präambel der UNFCCC soll die unterschiedliche historische Verantwortung von Industrie- und der Entwicklungsländern für die Klimakrise verdeutlichen. In diesem Fall bedeutet die Haltung der US-Vertreter*innen, dass von den Industrieländern nicht zu erwarten ist, dass sie die Finanzierung bereitstellen. Im endgültigen Text wurde auch die klare Formulierung verwässert, dass die Klimafinanzierung in Form von Zuschüssen oder vergünstigten Krediten erfolgen soll – und nicht, wie derzeit üblich, in Form von Krediten, die die Schuldenlast der Entwicklungsländer weiter erhöhen. Stattdessen sprachen sich Industrieländer für eine verstärkte Finanzierung durch den Privatsektor aus. Das ist ein schwerer Schlag für viele Länder des Globalen Südens, die stark von der doppelten Belastung durch die Auswirkungen der Schulden- und der Klimakrise betroffen sind.
Die Verursacher*innen der Klimakrise lehnten es auf der COP28 einmal mehr ab, Verantwortung zu übernehmen und die Länder des Südens für Jahrhunderte kolonialen Raubbaus und Ausbeutung zu entschädigen. Sie lehnten jede Forderung ab, in künftige Finanzflüsse die historischen Schulden einzubeziehen, die sie durch die koloniale Herrschaft und die Übernutzung der globalen Ressourcen angehäuft haben.
Zum 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurde deutlich, dass die Industrieländer nicht bereit sind, diese Rechte für alle zu unterstützen und zu schützen. Angesichts der Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Verhandlungsergebnis und der Realität der betroffenen Gemeinschaften waren einige Beobachter*innen verwundert, dass die anwesenden Regierungsvertreter*innen überhaupt so viel applaudierten.
Die Kluft zwischen den Erwartungen an die COP28 und ihren Ergebnissen hat bei den zivilgesellschaftlichen Gruppen zu einer großen Enttäuschung geführt. Sie macht deutlich, wie sehr der Druck noch verstärkt werden muss, um die Klimakrise wirklich anzugehen. Wenn im nächsten Jahr mit Aserbaidschan erneut ein Ölstaat Gastgeber der Klimakonferenz ist, wird das Engagement der Zivilgesellschaft erneut von entscheidender Bedeutung sein.
Übersetzung von André Hansen und Camilla Elle für Gegensatz Translation Collective