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Obama verdankt Wahlsieg auch strategischen Fehlern der Republikaner. Von Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg, New York.

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Der erste schwarze Präsident der Vereinigten Staaten wird für eine zweite Amtsperiode im Weißen Haus residieren: Am 6. November bestätigten die US-BürgerInnen Barack Obama im Amt. Was ist vom neuen alten US-Präsidenten zu erwarten?

Am Ende des Wahltags konnte Obama aufatmen: Er erhielt rund drei Millionen Stimmen mehr als sein wichtigster Gegenkandidat, der Republikaner Mitt Romney, und siegte mit 50 zu 48 Prozent der Stimmen am Ende deutlich. Noch größer war sein Vorsprung im sogenannten Electoral College, dem Wahlmännergremium: Obamas 332 Stimmen stehen lediglich 206 für Romney gegenüber.

Diese Niederlage wiegt für die Republikanische Partei umso schwerer, als Romney nur zwei Bundesstaaten (Indiana und North Carolina) mehr gewann als der Republikaner John McCain vier Jahre zuvor. Dabei war McCain seinerzeit unter ungleich schwierigeren Verhältnissen angetreten, nämlich als Parteifreund des unbeliebten George W. Bush und angesichts der nach acht Jahren republikanischer Regierung ausbrechenden Finanz- und Wirtschaftskrise.

Demgegenüber schien die Lage für Romney günstig: Die Kongresswahlen im Jahr 2010 hatten die Republikaner haushoch gewonnen, sie hatten die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert und den Vorsprung der Demokraten im Senat deutlich verkleinert. Der Präsident und seine Politik waren an einem Tiefpunkt ihrer Popularität angelangt, das wichtigste innenpolitische Vorhaben, die Gesundheitsreform, so sehr ins Kreuzfeuer der rechtslibertären Tea Party geraten, dass sich der Präsident und seine Partei kaum mehr getrauten, sie offensiv zu verteidigen.

Vor allem aber war es Obama 2009 zwar gelungen, den freien Fall der US-Wirtschaft durch ein massives Konjunkturprogramm zu stoppen; der zarte Aufschwung geriet allerdings bald ins Stocken und kam ausgerechnet im Wahljahr fast zum Erliegen. Die schwache Konjunktur und anhaltend hohe Arbeitslosigkeit waren denn auch die wichtigsten Argumente, mit denen Romney den Präsidenten besiegen wollte, getreu dem Clintonschen Motto, dass letztlich die Wirtschaftslage über den Ausgang von Präsidentschaftswahlen entscheide («It’s the economy, stupid»). Dieses Vorhaben ist nun, trotz Obamas Schwäche, krachend gescheitert. Wie erklärt sich die republikanische Niederlage?

Zunächst einmal lässt sich festhalten, dass die Republikaner vier der letzten sechs Präsidentschaftswahlen verloren. Nur in einer (2004) erzielte ihr Kandidat überhaupt eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Dieses schwache Abschneiden resultiert ganz wesentlich daraus, dass die Republikaner immer mehr zu einer «Partei des weißen Mannes» geworden sind. Ein Blick auf die Nachwahlbefragungen bestätigt dies. Demnach errang Romney 59 Prozent der Stimmen der Weißen; von den weißen Männern wählten ihn sogar zwei Drittel. Daneben gewann er eine Mehrheit bei den über 40-jährigen und bei denjenigen mit einem Jahreseinkommen von über 50.000 US-Dollar. In allen anderen Gruppen lag Obama vorn: Für ihn stimmten 93 Prozent der AfroamerikanerInnen, 71 Prozent der Latinos und Latinas und 73 Prozent der Asian Americans. Auch 55 Prozent der Frauen, 76 Prozent der LGBT-Community (LGBT = Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender), 60 Prozent der unter 30-jährigen sowie 60 Prozent derjenigen mit einem Jahreseinkommen unter 50.000 US-Dollar wählten den Demokraten.

Ihre eigentliche Dramatik entfalten diese Zahlen vor dem Hintergrund der langfristigen demografischen Entwicklung der USA. Denn die Weißen mögen immer noch die Mehrheit der Bevölkerung stellen, doch ihr Anteil schrumpft rapide, während die Minderheiten wachsen. Die Republikaner aber hatten in ihrem Wahlkampf ganz auf die Stimmen der Weißen gesetzt, mit rassistischen Code-Wörtern ebenso wie mit massiven Versuchen, die schwarze und hispanische Wählerschaft von der Wahl auszuschließen oder abzuhalten. Der Versuch, die Vorherrschaft der Weißen an den Wahlurnen wiederherzustellen, ist nun gescheitert, und die Republikaner müssen sich neu orientieren, wenn sie auf Bundesebene wieder mehrheitsfähig werden wollen.

Dies gilt auch mit Blick auf die Geschlechterverhältnisse. Dass radikale Abtreibungsgegner – wie Todd Akin und Richard Murdock – die kreuzreaktionären Geschlechterverhältnisse in ihrer Partei offenlegen, wirft die Republikaner bei den Wählerinnen ein ums andere Mal massiv zurück. Auch die Dämonisierung der Homo-Ehe ist inzwischen, wie Abstimmungen in vier Bundesstaaten zeigten, kaum noch mehrheitsfähig. Es ist deshalb kein Zufall, dass die Tea-Party-affinen KandidatInnen für den Senat reihenweise unterlagen und einer möglichen Übernahme des Oberhauses durch ihre Partei einen Strich durch die Rechnung machten. Die Frage, wie die innerparteiliche Schlacht um den künftigen Kurs der Republikaner in den nächsten Monaten ausgehen wird, bleibt spannend.

Was aber ist von Präsident Obama und den Demokraten zu erwarten? Grundsätzlich hat sich der institutionelle Handlungsspielraum des Präsidenten nicht wesentlich erweitert. Obama könnte jedoch versuchen, die Schwäche der Republikaner zu nutzen, beispielsweise – wie im Wahlkampf in Aussicht gestellt – für eine Steuererhöhung auf hohe Einkommen.

Allerdings sind auch die Demokraten ihren reichen SpenderInnen im mit sechs Milliarden US-Dollar teuersten Wahlkampf aller Zeiten verpflichtet. Obama wird daher sehr wahrscheinlich verstärkt unter Druck geraten, den Haushalt zu sanieren, sprich: auf einen Austeritätskurs umzuschwenken. Sollte der Präsident diesem Drängen nachgeben, drohen die Belastungen allen Wahlkampfversprechen zum Trotz noch stärker auf die arbeitende Bevölkerung abgewälzt zu werden.

Durch Romneys Niederlage mag das Schlimmste verhindert worden sein. Progressive Reformen sind indes auch von den Demokraten kaum zu erwarten. Fest steht: Nur wenn der durch Occupy Wall Street begonnene außerparlamentarische Protest weitergeht, wird sich wirklich etwas bewegen.

Stefanie Ehmsen und Albert Scharenberg leiten das Auslandsbüro Nordamerika und Vereinte Nationen der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York City.

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Vorabveröffentlichung aus der RosaLux 4-2012. Das Heft erscheint demnächst. Mehr zum Hausjournal der Stiftung unter journal.rosalux.de.