Der Westen hat seine Dienste daran mitwirken lassen, in Kiew die legitime Regierung zu stürzen. Zu den Formationen, die bewaffnet auf dem Maidan-Platz agieren, gehören auch quasi-faschistische Gruppierungen. In anderen Teilen der Ukraine, so auf der Krim, fühlen sich Menschen durch diese Entwicklung bedroht. Russland hat deutlich gemacht, dem nicht tatenlos zuzusehen. Nun droht die deutsche Regierung Russland. Die Deutschen werden diesmal mit ihrer Drohung aber nicht bis nach Stalingrad kommen. Russland verfügt nach wie vor über ein relevantes Atomwaffenarsenal. Obamas Erklärung (unter allerlei Drohungen seines Außenministers verpackt), keine Truppen in die Ukraine zu schicken, hat deutlich gemacht, dass die USA – wie während des Georgien-Krieges – es nicht auf einen Atomkrieg ankommen lassen.
Insofern ist die deutsche Drohung grotesk, frei nach der Fabel von Krylow: „Seht nur, was das Möpschen kann, es bellt den Elefanten an!“ Es läuft auf die Drohung des Händlers hinaus, keinen Kredit mehr zu geben. Die Frage nur ist, wenn schon Wirtschaftssanktionen, wer sanktioniert wen? Wenn das russische Erdgas nicht mehr strömt, stehen hierzulande die Heizungsanlagen still. Es ist albern und unverantwortlich, Russland drohen zu wollen, aber anzunehmen, es würde stillhalten, wenn westliche Drohungen in die Tat umgesetzt würden.
Deutschland spielt militärisch-politisch in einer anderen Liga. Gleichwohl hat es im Gefolge der Wirtschaftskrise seine Position in EU-Europa gestärkt und nimmt eine faktisch hegemoniale Stellung ein. Ein Vierteljahrhundert nach der Vereinigung ist Deutschland eine geo-ökonomische Macht mit globalen Interessen. Indem die Bundeskanzlerin als Quasi-Herrin der EU wahrgenommen wird, kann sie mit dem Präsidenten Chinas auf Augenhöhe reden. Aber nur, wenn es um Wirtschaft, Finanzen und davon abgeleitete Themen der Weltpolitik geht, beim Militär nicht.
Die Gauck-Rede auf der Tagung in München, die früher „Wehrkundetagung“ hieß, sollte das Militärische als Element der Außenpolitik stärker betonen und den entsprechenden Plänen ein salbungsvolles Mäntelchen umhängen. Das hat Raimund Krämer (5.2.2014) sehr deutlich kritisiert. Zugleich betonte er, die Rolle Deutschlands in der Welt von links zu buchstabieren. Dem wurde widersprochen.
Zunächst sind die Linken gut beraten, historische Kontinuitäten und Unterschiede klar zu benennen. Das Militärische, um das es heute in Deutschland geht, ist etwas anderes, als 1914 oder 1939. Es geht auch nicht um Weltkriegsfähigkeit – was ohne Atomwaffen heute ohnehin nicht geht – sondern darum, dass dieses imperialistische EU-Europa in seiner Nähe, im Osten Europas oder in Afrika, eigene Kriegsführungsfähigkeiten haben will, um unabhängig von den USA, aber gern in Kooperation mit diesen militärisch agieren zu können. Daran soll sich Deutschland beteiligen können; man kann schlecht Hegemon sein, wenn man nicht mitschießt. Die anvisierten Kriege ähneln aber eher den Kolonialkriegen Englands und Frankreichs im 19. Jahrhundert als den von Deutschland geführten Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Das macht die Sache nicht besser. Es führt aber in die Irre, dies als Kontinuität darzustellen. Und das Hantieren der Bundeswehroffiziere an den Schulen ist gerade kein Zeichen von Stärke, sondern von Schwäche: sie haben zunehmend Rekrutierungsprobleme. Die Bevölkerung dieses Landes will in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht mehr kriegsverwendungsfähig sein. Darauf sollte linke Politik bauen und dem selbstbewusst politisch Ausdruck geben.
Nun braucht es nicht nur analytisch, sondern auch im Hinblick auf die Außenpolitik eigener linker Positionen. Wir leben, mit Verlaub, noch lange nicht in einer Welt allgemeiner Brüderlichkeit. Und wenn die national-staatliche Struktur weiterhin eine Rolle spielt, ist die Linke gut beraten, die Position dieses Deutschlands in der Welt von links zu definieren: Wie sollte dieses Land seine Möglichkeiten einsetzen, damit das EU-Europa solidarisch und gleichberechtigt wird und die Welt friedlich? Die Debatte dazu darf nicht erst beginnen, wenn die Linke die Bundeskanzlerin stellt. Und es sollte nicht als Alternative dazu gedacht werden, Demonstrationen und Mahnwachen zu organisieren. Das beginnt damit, heute eine andere Außenpolitik in Bezug auf die Ukraine, die Krim und ein gutes Verhältnis zu Russland zu konzipieren.