Publikation Bildungspolitik - Gesellschaftstheorie - Kultur / Medien Kritik mit Methode?

Forschungsmethoden und Gesellschaftskritik. Reihe: Texte der RLS Bd. 42 von Ulrike Freikamp, Matthias Leanza, Janne Mende, Stefan Müller, Peter Ullrich, Heinz-Jürgen Voß (Hrsg.)

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Reihe

Texte (Archiv)

Autor*innen

Matthias Leanza, Ulrike Freikamp, Stefan Müller, Peter Ullrich,

Erschienen

März 2008

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Forschungsmethoden und Gesellschaftskritik

Texte 42 der Rosa-Luxemburg-Stiftung

328 Seiten, Broschur

ISBN 978-3-320-02136-8

 

 

Inhalt

Einleitung: Zum Verhältnis von Forschungsmethoden und Gesellschaftskritik

1. Sprache, Struktur, Diskurs
Peter Ullrich: Diskursanalyse, Diskursforschung, Diskurstheorie. Ein- und Überblick
Ludwig Gasteiger: Michel Foucaults interpretative Analytik und das unbestimmte Ethos der Kritik
Daniel Bartel, Peter Ullrich, Kornelia Ehrlich: Kritische Diskursanalyse: Darstellung anhand der Analyse der Nahostberichterstattung linker Medien
Matthias Leanza: Kritik als Latenzbeobachtung. Darstellung und Diskussion grundlegender Konzepte der Objektiven Hermeneutik und deren Anwendung am konkreten Fall

2. Subjekte und ihre gesellschaftliche Positionierung
Tobias Pieper: Symbolische und materielle Barrieren beim Zugang zum gesellschaftlich Exkludierten
Antje Krueger: Die ethnopsychoanalytische Deutungswerkstatt
Christoph H. Schwarz: Ethnoanalyse und Ethnohermeneutik: Kritische Sozialforschung als Reflexion der Forschungsbeziehung
Janne Mende: »Aber der Kaiser ist ja nackt!« – Theoretische Einkleidung psychoanalytischer und Kritisch-psychologischer Methodik
Katrin Reimer: Wie Methoden die Verhältnisse zum Tanzen bringen können … Eine Einführung in die Kritische Psychologie als eingreifende Forschungstätigkeit

3. Methoden- und Wissenschaftskritik
Ulrike Freikamp: Bewertungskriterien für eine qualitative und kritisch emanzipatorische Sozialforschung
Heinz-Jürgen Voß: Feministische Wissenschaftskritik. Am Beispiel der Naturwissenschaft Biologie
Irina S. Schmitt: »Ich besorg dir Viagra für deinen Freund« – Heteronormativität als methodologische Herausforderung in der Forschung mit Jugendlichen
Antonia Davidovic: Die Wirkung archäologischer Ausgrabungsmethoden auf die Herstellung archäologischen Wissens

4. Dialektik als Methode?
Stefan Müller: Dialektik und Methode – ein kleiner Blick auf eine große Diskussion
Ingo Elbe: Eigentümliche Logik eines eigentümlichen Gegenstandes? Zur Diskussion um die Spezifik dialektischer Darstellung in der Marxschen Ökonomiekritik

AutorInnen

 

Aus der Einleitung
Mit der Kritischen Diskursanalyse, der Kritischen Psychologie und der Kritischen Theorie gibt es Wissenschaftskonzeptionen, die sich in ihrer Grundanlage als explizit gesellschaftskritisch begreifen. Gerade die beiden erstgenannten sind im engeren Sinne Methodenprogramme, die das kritische Selbstverständnis einlösen sollen. Diesen Anspruch nahm der HerausgeberInnenkreis zum Anlass, in einem Sammelband das Verhältnis von (sozialwissenschaftlichen) Methoden und Gesellschaftskritik zu beleuchten. Viele Fragen stellten sich, zu deren Beantwortung der vorliegende Band einen ersten Schritt gehen möchte. Welche Methoden erheben explizit den Anspruch kritisch zu sein und worin begründet sich dieser? Gibt es Methoden, die, auch ohne diesen Anspruch zu erheben, über ein besonderes kritisches Potenzial verfügen? Welche Kritikbegriffe liegen diesen zugrunde? Von welchem Standpunkt kritisiert die KritikerIn?

Kritische Forschung unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht (trotz ihrer großen internen Heterogenität) von der »unkritischen« Normalwissenschaft. Sie bezieht in ihre methodologischen Überlegungen bspw. andere Gütekriterien ein als die rein dem Wissenschaftssystem immanenten, weil sie sich auch für die Folgen ihres Tuns und den Nutzen der Forschung für die »Beforschten« interessiert – so beginnt kritisches Forschen schon bei der Wahl des Gegenstands. Kritische Methoden setzen oft höhere Maßstäbe in puncto Forschungsethik, wie beispielsweise im Bereich Datenschutz. Vor allem aber vertreten kritische Forschungsprogramme den Anspruch, mit ihren methodischen Instrumentarien erkenntnistheoretische Positionen der traditionellen Wissenschaften zu hinterfragen, deren Einschränkungen zu erkennen und ihre Grenzen zu überwinden. Bei aller Gegensätzlichkeit ist es doch einigendes Merkmal aller Methodiken, die sich epistemologisch auf einem Kontinuum zwischen einer marxistisch-materialistischen Dialektik und dem poststrukturalistischen Konstruktivismus abbilden lassen, mit ihren Mitteln zu zeigen, dass nicht alles so ist, wie es scheint und dass nicht alles so sein muss, wie es ist. Kritische Wissenschaft will Macht und Herrschaft, Gewalt und Unterdrückung, Unfreiheit und Ausschließung aufdecken und bietet dafür ihre eigenen Methoden an.

Im Rahmen der Tagungen des Arbeitskreises »Qualitative Methoden« in der Rosa-Luxemburg-Stiftung setzen sich die AutorInnen mit diesem weiten und heterogenen Feld von Fragen und Problemen auseinander. Es erstreckt sich von Überlegungen zur Qualitätssicherung kritischen Forschens über fachspezifische Methoden- und Wissenschaftskritiken bis zu erkenntnistheoretischen Fragen.

Großen Raum nehmen dabei empirisch orientierte, anwendungsbezogene Arbeiten ein, die einzelne Aspekte der Methodenreflexion kritischen Forschens im Prozess beleuchten und somit Einblick in die Praxis gewähren. Diesem Ziel dienen auch die Darstellungen sich als kritisch begreifender Einzelmethoden. Gemeinsamer Rahmen und Referenzpunkt all dieser Ansätze und Perspektiven ist die Reflexion auf die wechselseitige Beziehung von Methoden und Gesellschaftskritik.

Diese Beziehung ist durch drei Momente gekennzeichnet. Erstens sind Methoden hinsichtlich ihres gesellschaftskritischen Potenzials nicht neutral. Zweitens sind sie unterbestimmt, denn die »richtige« Methode allein macht noch nicht die Kritik. Zum Dritten unterscheiden sich die Kritikbegriffe und somit auch die Erkenntnismöglichkeiten und Zielstellungen der jeweils gewählten kritischen methodischen Instrumente.

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