Konfliktlinien und geostrategische Veränderungen
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Reihe: Manuskripte, 80
ISBN 978-3-320-02166-5
172 Seiten, Broschur
Inhalt
Vorbemerkung
I. Konfliktlinien der internationalen Politik im 21. Jahrhundert
Die Fragen
Die Antworten
H.J. KRYSMANSKI: Elgersburger Thesen
JOCHEN SCHOLZ: Die wichtigsten Konflikte in den nächsten Jahren: In Eurasien
WOLFGANG GRABOWSKI: Auseinandersetzung mit dem Mainstream
CLAUS MONTAG: Herausforderungen für die Politik
JÜRGEN NIETH: Eine gerechte Weltordnung sollte selbstverständlich sein
ERHARD CROME: Zu den internationalen Konfliktlinien im 21. Jahrhundert
WERNER RUF: Konfliktdimensionen im Internationalen System
II. Geostrategische Veränderungen der Gegenwart
MARLIES LINKE: Chinas Aufstieg
JOHN P. NEELSEN: Indien als Swing State im multipolaren internationalen System
WOLFGANG GRABOWSKI: Russland in der globalen Politik.. Moskaus neues Selbstbewusstsein und die Beziehungen zu den USA
JULIJ KWIZINSKIJ: Über regionale Konflikte in Europa, einschliessich der Lage um Kosovo, und mögliche Wege zu ihrer Regelung
PETER LINKE: Die unbemerkte Revolution. Japan als „normaler Staat“
RAINER RILLING: Change?
PETER LINKE: Hightech-Dundee. Australien auf dem Weg zur vernetzten Kriegsführung
ERHARD CROME: Die EU. Von der Friedensmacht zur imperialen Politik?
THOMAS ROITHNER: Die Europäische Union als „Global Player“. Die Militarisierung der Sicherheitspolitik und ihre Alternativen
WERNER RUF: Naher und Mittlerer Osten
PETER STRUTYNSKI: Die einzige Alternative zum Afghanistankrieg heißt: Kein Krieg
JOACHIM WAHL: Lateinamerika in der internationalen Politik zu Beginn des XXI. Jahrhunderts
Autorin und Autoren
Vorbemerkung
Die Friedensfrage ist am Anfang des 21. Jahrhunderts erneut zu einer Frage des Überlebens der Menschheit geworden. Sie hat sich mit dem Wegfall des ost-West-Konfliktes und des Kalten Krieges nicht erledigt. Das Ansteigen der weltweiten Rüstungsausgaben auf über 1200 Milliarden US-Dollar – und damit uuf eine Größenordnung, die den Höchststandin der Zeit des Kalten Krieges wieder übersteigt, – sowie die Bemühungen um neue US-Raketenabwehrsysteme, um doch noch eine atomare Erstschlagsfähigkeit gegen Russland und China zu erreichen, die Kriege in Irak und Afghanistan und jüngst der Krieg im Kaukasus – all das zeigt: Die Frage des Friedens wurde zu einem zentralen Feld der politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart.
Aus der Sicht linker Politik kommt der Konfliktprävention und der friedlichen Konfliktbearbeitung in der internationalen Politik zentrale Bedeutung zu.
Die Ablehnung von Militäreinsätzen und die Entwicklung alternativer friedenspolitischer Ansätze bilden eine Einheit. Dazu gehören die Entmilitarisierung internationaler Konflikte, das Ringen um Rüstungsbegrenzung und Abrüstung, die Schaffung von internationalen Regimen gemeinsamer Sicherheit sowie die Stärkung der Organisation der Vereinten Nationen und der Durchsetzung der UNO-Charta. Im Kern geht es um die „Herrschaft des Rechts“ in Gestalt des Völkerrechts gegen ein „Recht des Stärkeren“ in der internationalen Politik.
Ein grundlegendes politisches Ziel der Linken (dieses Wort meint hier die Linken in Deutschland im Plural, nicht nur bezogen auf die Linkspartei) besteht darin, dass deutsche und europäische Außenpolitik Friedenspolitik wird. Das schließt das politische Agieren gegen das Führen völkerrechtswidriger Kriege und gegen die Militarisierung der Außenpolitik ebenso ein wie gegen den Einsatz der Bundeswehr zu Militärinterventionen im Ausland sowie die Nutzung der Militärbasen auf dem Boden Deutschlands und der EU für Aggressionskriege und für Folter bzw. rechtswidrige Verschleppungen. Militärbündnisse sollten der Vergangenheit angehören; deshalb gehört auch die NATO aufgelöst. Die militärischen Potenziale Deutschlands und der EU sollten deutlich reduziert und auf Anforderungen der Landesverteidigung (des Territoriums in Europa, nicht „am Hindukusch“) ausgerichtet sowie eine strukturelle Nichtangriffsfähigkeit hergestellt werden. Deutschland und die EU sollten veranlasst werden, auf die Entwicklung und Produktion von Angriffswaffen zu verzichten und Rüstungsexporte einzustellen. Es sollen künftig keinerlei Atomwaffen in Deutschland stationiert werden. Abrüstung und ein Verbot aller Massenvernichtungswaffen sollen in den Rang von Staatszielen erhoben werden. Das sind in Umrissen die Anforderungen an ein außenpolitisches Alternativprogramm, das analytisch und argumentativ wissenschaftlich zu untersetzen, auszuarbeiten und zu begründen wäre.
Dieses Buch ist ein Resultat der Arbeit des Gesprächskreises „Frieden und Sicherheitspolitik“ bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er wurde 2002 gegründet.
Die Initiative ging von Vertrauensdozentinnen und -dozenten sowie Mitarbeitern und Freunden der Rosa-Luxemburg-Stiftung aus, die auf dem Gebiet der internationalen Politik und Entwicklung arbeiten oder daran ein besonderes Interesse haben. Als Ausgangsverständnis wurde festgestellt, dass es sinnvoll und wünschenswert ist, einen Gesprächskreis zu haben, der an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Medien arbeitet, nicht akademische Debatten zu doppeln versucht, aber auch nicht pragmatisch auf Tagespolitik gerichtet ist. Er soll dazu beitragen, die Fähigkeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Expertise zu stärken, und arbeitet ausdrücklich in der Nähe der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Partei DIE LINKE. Seine Funktion besteht auch in der Netzwerkbildung. Er fördert den Austausch zwischen linken Friedensforschern sowie zwischen Friedensforschern und Friedensaktivisten.
Schwerpunkte der bisherigen Diskussionen waren: die Außen- und Militärpolitik der USA und deren Folgen, der Irak-Krieg, die Außenpolitik Deutschlands und seine außenpolitischen Interessen, die EU-Verfassung und die Militarisierung der Europäischen Union, die Außenpolitik Russlands sowie die Entwicklungen Chinas, Indiens, Lateinamerikas und im Nahen Osten.
Im Februar 2008 hat der Gesprächskreis Frieden eine Klausurtagung in Elgersburg (Thür.) durchgeführt, die dem Thema „Geostrategische Veränderungen der Gegenwart“ gewidmet war. Dazu wurde im Vorfeld ein Reader „Konfliktlinien der internationalen Politik im 21. Jahrhundert“ erarbeitet. Im vorliegenden Band werden der überarbeitete Reader sowie die Beiträge, die auf der Klausurtagung gehalten wurden, veröffentlicht, ergänzt durch weitere Beiträge, die wir in diesem Zusammenhang für wichtig erachtet haben. Wir hoffen, mit dieser Publikation zur weiteren friedenspolitischen Debatte in Deutschland und Europa beizutragen.
Berlin, im September 2008
Erhard Crome