Das Erste Amerikanische Sozialforum tagte vom 25. bis 30. Juli 2004 in Quito / Ecuador
Die Eröffnung des ersten Sozialforums der Amerikas war ungewöhnlich, zumindest für jemanden, der verschiedene Sozialforen zwischen Porto Alegre, Mumbai, Florenz und Paris kennengelernt hat: am Sonntag, mittags auf der Plaza De San Francisco von Quito, wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im uralten Ritus der indigenen Völker des Andenraumes aufgefordert, sich den vier Himmelsrichtungen zuzuwenden und dem Forum sowie allen Teilnehmenden Wohlergehen zu wünschen. Insgesamt haben sich etwa 11000 Menschen auf diesem Amerikanischen Sozialforum registrieren lassen. Sie kamen aus 55 Ländern, nicht nur Amerikas, sondern auch aus Europa, Asien, Afrika und Australien.
Die vielfältigen Veranstaltungen waren hochkarätig besetzt. Auf einer abendlichen Konferenz zum Thema „Alternativen zur neoliberalen Globalisierung“ sagte Manfred Max-Neef aus Chile, der für seine Theorie einer „Entwicklung nach menschlichem Maß“ 1983 den Alternativen Nobelpreis erhalten hatte, die Menschheit sei derzeit nach den Lehren des Machiavelli eingerichtet, aber sie sollte nach Franz von Assisi eingerichtet sein. In den ersten Reihen saßen zahlreiche Nonnen, hinter ihnen junge Leute mit Che-Guevara-Shirts, alles in allem in der riesigen Halle des Ecuadorianischen Kulturzentrums sicherlich zweitausend Zuhörer. Edgardo Lander aus Venezuela, der für die Regierung Chavez die Verhandlungen mit der WTO führt, prangerte seinerseits an, dass das Recht des Kapitals über das Menschenrecht gestellt ist.
In einem Seminar, das das Brasilianische Institut für Soziale und Ökonomische Analyse zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Attac Brasil durchgeführt hatte, betonte Anibal Quijano (Peru) die Folgen der globalen Offensive des Kapitals. Auch in den demokratischen Zentren des Weltkapitalismus nehmen autoritäre Tendenzen zu, die sich an der Peripherie noch verstärken; in Lateinamerika vollziehen sich gegenwärtig Prozesse der Wiederherstellung feudaler Verhältnisse, die Bedingung des Preisdumpings in den Zentren sind. Wenn die übergroße Mehrheit der Menschen in tiefer Armut lebt, kann jedoch von einem Funktionieren der Demokratie keine Rede sein.
In einem anderen Seminar ging es um die „Neuen Grenzen“ und die Migration. Nachdem Evrim Baba (Berlin) über die Situation von Migrantinnen und Migranten in Deutschland und der EU gesprochen hatte, stellten die lateinamerikanischen Gesprächspartner fest, dass die Ähnlichkeiten zu der entsprechenden Politik in der westlichen Hemisphäre doch beträchtlich sind. Bei dem Thema der Folgen des Irak-Krieges zeigte sich der Mangel des Forums besonders deutlich: es war angekündigt als Sozialforum ganz Amerikas, des Südens und des Nordens, es war praktisch jedoch überwiegend ein Sozialforum Lateinamerikas. Einige Veranstaltungs-Redner aus Kanada und noch weniger aus den USA konnten dieses Ungleichgewicht nicht ausgleichen. Am Ende jenes Seminars zum Irak-Krieg sagte ein junger Mann aus Lateinamerika, wir könnten mobilisieren, so viel wir wollen, letztlich anhalten können die Kriegsmaschinerie der USA doch nur die sozialen Bewegungen und demokratischen Kräfte im Lande selbst. Die anwesenden fünf jungen US-Amerikaner nickten dazu recht nachdenklich.
Präsent waren die USA jedoch in anderer Weise. Die schwer bewachte Botschaft der USA im Zentrum von Quito war das Ziel der Demonstration von Teilnehmern des Forums am 28. Juli. Sie wurde, wie es am nächsten Tag in der Zeitung hieß, „von der Polizei mit Tränengas aufgelöst“. Diese hatte mit sehr scharfem Tränengas auch von hinten in den Demonstrationszug geschossen, ohne dass es zuvor zu Provokationen der überwiegend jungen Demonstranten gekommen wäre. Derartiges hatte es bei keinem anderen Sozialforum gegeben.
Die Umorientierung der Welt, die Schaffung der „anderen Welt“, die möglich sein soll und so notwendig ist, sagte der von den Philippinen stammende globalisierungskritische Theoretiker Walden Bello am nächsten Tag, wird kein leichter Prozess sein, sondern blutige Kämpfe fordern.