"3. Tagung des 17. Zentralkabinetts der Zweiten Republik beschließt Wachstumsbeschleunigungsgesetz", meldet die taz am 10.11.09, 20 Jahre nach dem Untergang der vermeintlich ›real-sozialistischen Alternative‹. Die Meldung bezieht sich auf die erste Maßnahme der Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP. Obwohl seit dem Beinahe-Zusammenbruch der Finanzmärkte immer wieder der Zusammenhang der multiplen Krisen, von ökonomischer und ökologischer Krise betont wird, gibt es aus Sicht der Bundesregierung – kurz vor dem bereits im Vorfeld gescheiterten Weltklimagipfel in Kopenhagen – nur einen Weg aus der ökonomischen Krise: durch Wachstum. Doch selbst die globale Wirtschaftskrise sorgte nur für eine minimale Dämpfung des CO²-Ausstoßes: die Emissionen wuchsen 2008 um zwei, 2009 um 2,8 Prozent. In den Jahren zuvor wurde trotz 30 Jahren Umweltpolitik und effizienterer Technologien der Ausstoss klimarelevanter Gase und der Verbrauch von Rohstoffen nicht nur nicht reduziert, sondern sogar beschleunigt. Laut Weltklimarat IPCC entspricht dies dem Worst-Case-Szenario einer drohenden Erwärmung um sechs Grad Celsius – das zwei-Grad-Ziel eines vermeintlich noch beherrschbaren Klimawandels ist bereits verfehlt. "Jeder Versuch, kapitalistisches Wachstum wieder in Gang zu bringen – mithin auch der Green New Deal – steht im direkten Widerspruch zur Lösung der Biokrise", so Stefan Kaufmann und Tadzio Müller in ihrer jüngst erschienenen Studie zum Grünen Kapitalismus für die RLS (2009). "Es kann keine ökologische Ökonomie geben ohne ›Wachstumsbefriedung‹", so auch Wolfgang Sachs vom Wuppertal Institut in einer Debatte um den Green New Deal in der Zeitschrift luXemburg (H.1, 2009, 148). Doch, fährt er fort, "wer das Wachstumskapitel in unserem Buch liest, wird feststellen, dass sich dort mehr Fragen als Gewissheiten finden. Vielleicht ist es uns kunstvoll gelungen, dies zu verschleiern. … Auf diese Fragen haben wir keine Antwort" (ebd.). Schluss mit Wachstum. Aus ökologischer Sicht muss die stoffliche Produktion schrumpfen... Aber ist Kapitalismus ohne Wachstum überhaupt möglich? Systemwechsel – wie geht das? Kann uns ein qualitatives oder selektives Wachstum retten? Und wie sind Übergänge einer sozial ökologischen Transformation denkbar? Um diese Fragen entspann sich eine Debatte im Rat für radikale Realpolitik – der Zukunftskommission der RLS.
Wir möchten in diesem Heft drei Meinungen aus dieser Debatte zu Wort kommen lassen: 1. Fritjof Capra (Center for Ecoliteracy Berkeley) und Hazel Henderson (UN Green Economy Initiative); 2. Andreas Exner (radikaler Ökologe); 3. Sabine Reiner (ver.di/RLS).
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