Brauner Alltag in der deutschen Provinz
von Friedrich Burschel (Hrsg.)
Reihe: Texte der Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 63
Berlin: Karl Dietz Verlag 2010
ISBN 978-3-320-02201-3
192 Seiten, Broschur
Inhalt
Vorwort
Friedrich Burschel: Verlorene Landstriche. Herausforderungen in den »Entleerungsräumen«: rechter Mainstream und rechtsextreme Verankerung in der Provinz
Martin Endemann / Gerd Dembowski: Die wollen doch nur spielen. Fußballfanszenen und Fußballvereine als Andockpunkte für neonazistische Einflussnahme im ländlichen Raum
Andrea Röpke: Die braune Elite von morgen. Der ungestörte Aufwuchs einer völkischen HJ-Nachfolgeorganisation bis zum späten Verbot
Heike Kleffner: Zwischen individuellen Erfolgen und politischer Ohnmacht. Eine Zwischenbilanz aus der Beratungsarbeit für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
Christian Schmidt / Doris Liebscher: Verwischte Ziele. Warum die Bemühungen gegen Nazi-Strukturen seit knapp 20 Jahren immer wieder scheitern.
Ulli Jentsch: Über die Kommunen in den Bundestag. Zum Profil der »Kommunalpolitischen Vereinigung« (KPV) der NPD bei der Professionalisierung brauner Kommunalpolitik
Susanne Lang / Knut-Sören Steinkopf: Die Unterstützung der letzten Mohikaner. Erfahrung und Perspektiven antifaschistischer Jugendbildung in Brandenburg
Robert Andreasch: Notizen aus Ostbayern. Traditionsbewusstsein und Heimatverbundenheit
Michael Klarmann: Tombola in Stolberg. Nazis im Großraum Aachen zwischen Scheinbürgerlichkeit und Nationalsozialismus
Michael Weiss: Kampf um die Dörfer. Aufstieg und Fall der hessischen NPD unter Marcel Wöll
Friedemann Bringt / Michael Nattke: Mustergau Sachsen. »Moderne Nazis« im Freistaat und die besondere Problematik des ländlichen Raums
Martina Renner: »They live«. Neonazis in der Kommune: alltäglich – akzeptiert – aktiv
Andreas Speit: Rechts im hohen Norden. Neonazis in Schleswig-Holstein zwischen behördlicher Verharmlosung und bürgerschaftlicher Gegenwehr
Autorenverzeichnis
Seit einigen Jahren stellt sich die Frage, ob man von einer qualitativ neuen Entwicklung des Neonazismus sprechen muss. Es geht um die Einordnung des modernen Neofaschismus als politische Bewegung.
Im ländlichen Bereich vollzog sich die Metamorphose von randständigen Gruppierungen ohne politische und kulturelle Wirkung hin zu einer Etablierung und Integrierung im Alltagsleben. Neonazis haben soziale Netzwerke aufgebaut, die alle Bereiche des Lebens umfassen, sie engagieren sich im örtlichen Vereinsleben, übernehmen Ehrenämter, wirken an öffentlichen Veranstaltungen und in Bürgerinitiativen und an kommunalen Projekten mit, organisieren Kinder- und Jugendarbeit, bringen sich in Elternbeirat und Kindergartenvorstand ein und tragen zum kulturellen Leben bei, leisten gemeinnützige Arbeit und geben den engagierten, guten Bürger. Diese Unterwanderungsstrategie trägt Früchte, mittlerweile 250 bis 300 kommunale rechtsextreme Abgeordnete sitzen in Gemeinde- und Stadträten bzw. Kreistagen.
Gleichgewichtige Elemente neben der braunen Graswurzelstrategie sind die politische Gewalt durch Neonazis und eine latente Bedrohungssituation, die dazu führen, dass Menschen Regionen verlassen, die hier für eine Kultur der Weltoffenheit und Freiheit eintreten könnten.