In den Klimaschutzgesetzen in Europa und Deutschland sind eine Klimaneutralität von Mitte 2021 bis 2045 und eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent bis 2030 festgeschrieben. Für den gesamten Industriesektor geht es um eine Minderung von 68 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2), davon entfallen auf die Stahlindustrie 30 Prozent. Für das Zwischenziel 2030 steht die sehr CO2-intensive Stahlindustrie vor der Herausforderung, 26 Millionen Tonnen CO2 einzusparen – das sind etwa 38 Prozent der Einsparvorgaben für den Industriesektor innerhalb einer Dekade. Damit wird der Umbau der Stahlindustrie zum größten Hebel der industriellen Transformation.
Die Untersuchung ist Teil des von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderten und von dem gemeinnützigen Verein «Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik» unterstützten Projekts «Sozial-ökologische Transformation der deutschen Industrie», in dessen Rahmen sieben weitere Studien entstanden sind.
Die Transformation hat bereits begonnen: An den Stahlstandorten wurden Pilotanlagen für die Umrüstung der kohlebasierten Hochofenroute (70 Prozent der Stahlproduktion) auf DRI-Anlagen errichtet. Erste Hochöfen werden schon 2025 abgestellt, die schrottbasierte Elektrohochofenroute (30 Prozent) wird ausgebaut. An vielen Stahlstandorten werden verschiedene Verfahren getestet, wobei der Einsatz von Erdgas als Brücke im Umbau gilt. Zeit wird zum Engpass. Die Anlagentechnik ist erprobt, was fehlt, sind der schnelle Aufbau der Elektrolyseanlagen und ausreichende Mengen an Wasserstoff als Ersatz für die Kokskohle. Was fehlt, ist außerdem der schnelle Ausbau der Infrastrukturen. Noch sind die ökonomischen Hürden höher als die technischen. Die Kosten für Erdgas, Wasserstoff, grünen Strom und Rohstoffe sind extrem hoch. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, werden von Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite Klimaschutzverträge gegen die Abwanderung der Stahlindustrie in Länder mit geringeren Klimaauflagen gefordert. Zum Erhalt der Arbeitsplätze braucht die Stahlindustrie finanzielle Unterstützung für den Aufbau der Anlagen, für steigende Betriebskosten und die Infrastruktur – darin besteht Einigkeit. Noch ist die Unsicherheit in den hoch qualifizierten Belegschaften groß. Arbeitsplätze entfallen, werden umgebaut, neue entstehen. Die Neuausrichtung der Aus- und Weiterbildung bleibt der wichtigste Hebel, um die Menschen in der Transformation mitzunehmen. Für alle Stahlakteure gilt es, gemeinsam mit dem Staat, mit Umweltverbänden etc. in kurzer Zeit richtungsweisende Antworten auf offene Fragen zu formulieren, etwa die nach einer verbindlichen Taxonomie für grünen Stahl und einer entsprechenden Quotenregelung für die zentralen Stahlabnehmerbranchen Auto, Maschinen und Bau.
Inhalt
- Zusammenfassung
- Einleitung
- Stahlcharakteristika, Beschäftigung und Qualifikationen
Beschäftigung: Entwicklung und Merkmale
Qualifikationen der Beschäftigten - Treiber und Rahmenbedingungen der Transformation
CO2-Ziele
Mit der Transformation verknüpfte Prozesse und Transformationsbeschleuniger
- Globalisierung und internationaler Wettbewerb
- Digitalisierung und Stahl 4.0
- Wertschöpfungsketten
- Wandel der Geschäftsmodelle und neue Märkte - Instrumente, Felder und Erfolgsbedingungen der Transformation
Technologieinnovationen und damit verbundene Kosten
- Produktinnovationen, Grundstoff- und Materialforschung
- Prozessinnovationen und neue Verfahren
- Bisherige Investitionen in die Primärrouten und zukünftige Investitionsbedarfe
Infrastrukturen
Staatliche Programme, Schutz vor Dumping, Investitionsfonds - Absehbare Konsequenzen für die Arbeit
Arbeitsorganisation
Quantitative Beschäftigungseffekte
Qualitative Beschäftigungseffekte - Herangehen der Akteure
Wirtschaftsvereinigung Stahl und Arbeitgeberverband Stahl
IG Metall
Gemeinsame Initiativen
- High-Level-Forum Stahl
- Die Fachkommission HySteel
- Regionale Wasserstoff-Hubs
- Das Handlungskonzept Stahl 2020 - Zusammenfassung und offene Fragen
- Literatur
- Abkürzungsverzeichnis
Zu Autorin
Antje Blöcker ist Sozialwissenschaftlerin; sie hat sich an der Technischen Universität Braunschweig und am Wissenschaftszentrum Berlin auf arbeitspolitische Herausforderungen im Zusammenhang mit globalen Wertschöpfungsketten sowie auf Produktionssysteme der Automobilindustrie spezialisiert. Als aktives Mitglied der IG Metall und des Gesprächskreises Zukunft Auto Umwelt Mobilität (ZAUM) der Rosa-Luxemburg-Stiftung beteiligt sie sich an den aktuellen Debatten zur Transformation deutscher Industriebetriebe. Sie lebt seit vielen Jahren in der Region Salzgitter-Peine, die vom Umbau (VW und Salzgitter Stahl) besonders betroffen ist.