Publikation Arbeit / Gewerkschaften Paketdienste: Ausgeliefert

DHL, Amazon, Hermes & Co: Wachstum, Arbeitsbedingungen und Kämpfe in einer boomenden Branche

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Reihe

luxemburg beiträge

Autor*innen

Jan Ole Arps, Nelli Tügel,

Erschienen

April 2024

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Treppe rauf, Treppe runter. Bis zu 200-mal am Tag. Treppe rauf, Treppe runter. Das ist der Takt der Arbeit, die Paketzusteller*innen den ganzen Tag, oft mehr als zehn Stunden lang, oft sechs Tage die Woche verrichten. Rauf und runter beschreibt auch die beiden Richtungen, in die sich die Branche Kurier, Express- und Paketdienste (KEP-Dienste), mitunter auch die Postdienste, in den vergangenen Jahren bewegt hat. Die Anzahl der zugestellten Pakete ist enorm gewachsen, Umsätze und Gewinne gehen rauf. Bei Löhnen und Arbeitsbedingungen sieht es anders aus.

Boomende Branche

Die Kurier-, Express- und Paketdienste sind einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige des Landes. Zwischen 2012 und 2022 ist die Zahl der zugestellten Pakete von 2,5 auf 4,15 Milliarden gestiegen. Das ist ein Wachstum von 66 Prozent. Der Umsatz stieg im gleichen Zeitraum von 15,5 auf 26 Milliarden Euro, das heißt um knapp 68 Prozent.

Ein Knochenjob

Trotzdem ist die Paketbranche einer der Wirtschaftsbereiche mit den niedrigsten Löhnen überhaupt. Die Arbeit der Zusteller* innen ist hart und gesundheitsschädlich, der Krankenstand liegt weit über dem Durchschnitt. Vor allem in den vielen Subunternehmen, die die Pakete auf der «letzten Meile» zustellen, sind Lohndumping und Arbeitszeitbetrug zulasten der Beschäftigten weit verbreitet. Das Problem hat System.

Ausbeuterisches Geschäftsmodell

Die großen Lieferfirmen – DHL, Amazon, Hermes, UPS, DPD & Co – konkurrieren um Anteile am hart umkämpften Markt. Ihr Geschäftsmodell: möglichst viele Sendungen in möglichst kurzer Zeit zu möglichst günstigem Preis zustellen. Da etwa die Hälfte der Kosten auf der «letzten Meile» anfällt, ist es für die Paketdienstleister entscheidend, diese Kosten zu drücken. Hier kommen die Subunternehmen ins Spiel.

Arbeitnehmerfeindliche Praktiken …

Überlange Arbeitstage, nicht bezahlte Überstunden, Lohn- und Sozialabgabenbetrug: Diese Zustände sind in vielen Subunternehmen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Der Grund: Die großen Player geben den Preisdruck an sie weiter, die wiederum münzen ihn in Druck auf die Fahrer*innen um. Am Ende der Kette steht brutale Ausbeutung.

… auf dem Rücken von Migrant*innen

Leidtragende sind die Zusteller*innen. Und die sind in großer Mehrheit nicht deutsch. Das ist kein Zufall: Um die Kosten zu drücken, machen sich die Lieferfirmen die materielle Not der Beschäftigten und mangelnde Alternativen auf dem Arbeitsmarkt zunutze. Je abhängiger, desto besser. Das wichtigste Werkzeug für die großen Player, um ihre Profite zu steigern, ist daher das gezielte Anwerben überausbeutbarer, vor allem migrantischer Arbeiter*innen durch Subunternehmen.

Die Lösung

Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und eine Sicherung zumindest legaler Löhne sind unter den aktuellen Bedingungen nicht möglich. Die gesetzlichen Mittel reichen nicht, gewerkschaftliche Organisierung hat in den oft nur wenige Jahre existierenden Subunternehmen kaum eine Chance. Der erste und einzige realistische Schritt, um eine Verbesserung zu erreichen, ist daher das Verbot von Werkverträgen und Subunternehmerketten in der Branche und die Überführung der dort Arbeitenden in die Direktbeschäftigung, analog zur Fleischindustrie. Nur so lässt sich das System der Überausbeutung beenden und die organisierte Verantwortungslosigkeit überwinden.
 

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