Publikation Nordafrika - International / Transnational Der palästinensische Aufnahmeantrag an die Vereinten Nationen

Zwischen großer Diplomatie und Mangel an Alternativen. Standpunkte International 16/2011 von Peter Schäfer.

Information

Erschienen

Dezember 2011

Zugehörige Dateien

Am 23. September beantragte der palästinensische Präsident und PLO-Vorsitzende Mahmud Abbas bei den Vereinten Nationen die Vollmitgliedschaft Palästinas. Dieser Schritt erlangte international große Aufmerksamkeit, die israelische Regierung sah gar einen «politischen Tsunami» kommen. Die palästinensische Öffentlichkeit jedoch beachtet den Antrag weit weniger.

Die Umfragen zeichneten ein eindeutiges palästinensisches Stimmungsbild vor dem Gang an die Vereinten Nationen (VN). «Über 80 Prozent der Palästinenser» unterstützten die Beantragung der VN-Vollmitgliedschaft.1 50 Prozent gingen demnach zum Umfragezeitpunkt davon aus, dass Palästina im September Staat wird. 68 Prozent rechneten aber auch mit der Einleitung israelischer Strafmaßnahmen, wie zum Beispiel den Überweisungsstopp von Zollgebühren und Mehrwertsteuer (die Israel als Kontrolleur aller palästinensischen Grenzen und des Marktes stellvertretend erhebt), und die Beschleunigung von Siedlungsbau und Abriegelung. Lediglich die Befürchtungen stellten sich als berechtigt heraus. Wenn «50 Prozent aller Palästinenser» – gemeint sind lediglich die in Westbank und Gazastreifen – davon ausgingen, im September einen eigenen Staat zu gründen, hatte dies damals sicherlich mehr mit Hoffnung, als mit Überzeugung zu tun. Der von der politischen Führung seit Anfang der 1990er Jahre forcierte Weg, zu dem sie keine Opposition zuließ, führte ganz offensichtlich in eine Sackgasse. Durch die direkten Verhandlungen mit Israel wurde kein Stück Palästina souverän, sondern Israel konsolidierte sein Besatzungsregime. Und alle Versuche, sich das nicht eingestehen zu müssen, sind wirkungslos verpufft.

«Wir alle wissen, dass dies vielmehr ein ‹symbolischer› Akt ist, der an der Situation vor Ort nichts ändern wird», fasste der Herbstrundbrief einer Schule in Ramallah die Stimmung zum VN-Antrag bereits vor dem 23. September zusammen. «Wir sind aber auch überaus erfreut darüber, dass die Mehrheit der Länder der Welt unsere gerechte Sache unterstützt.» Dass Mehrheiten weltpolitisch allerdings keine Rolle spielen, mussten nicht nur die Palästinenser bereits mehrmals erfahren. Auch jetzt kündigten die USA schon im Vorfeld ihr Veto an, sollte es im VN-Sicherheitsrat zur Abstimmung über den palästinensischen Aufnahmeantrag kommen. Die Bundesrepublik Deutschland machte ihre Ablehnung ebenfalls bereits vor dem 23. September öffentlich. «Wenn der Gang an die Vereinten Nationen eines gezeigt hat», so ein Mitglied der unabhängigen palästinensischen Jugendbewegung Herak Shababi, «dann dass der internationale Konsens für die Zwei-Staaten-Lösung ein Mythos war.»

Weiter im PDF