Vorbemerkung
Ist es möglich, in einem Bundesland wie Berlin gegen den neoliberalen Strom zu schwim-men? Kann die Berliner Linkspartei auf Landesebene linke Politik gestalten und dabei alternative Projekte des Einstiegs in einen transformatorischen Prozess entwickeln, der den Kapitalismus in dieser Gesellschaft zurückdrängt? Vermag sie einen spezifischen Beitrag für einen Richtungswechsel der Politik in der Bundesrepublik insgesamt zu leisten? Kann sie diese Regierungsbeteiligung erfolgreich für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt, für die Partei selbst nutzen?
Was sind die Maßstäbe erfolgreicher linker Politik in Regierungsverantwortung? Ist es sinnvoll, sich im System der repräsentativen Demokratie zu verorten, oder soll man sich nicht besser auf die „Kraft der Straße“, auf die sozialen Bewegungen konzentrieren? Was aber, wenn politische Bewegungen die Linke wie in Bolivien Evo Morales oder wie in Brasilien Lula da Silva an die Spitze der Regierung führen? Wenn das Votum der Wähler Linke in Regie-rungsverantwortung wie in Italien, in Norwegen einfordert, und sei es nur, um rechte Regierungen zu verhindern? Kann sie sich dann verweigern oder muss sie Regierungsbetei-ligung als eine Option linker Politik nutzen? Was aber sind die Bedingungen für eine solche Option, was die Essentials linker Politik in Regierungsverantwortung?
Der vorliegende Beitrag beschreibt zunächst die Positionen der Akteure unterschiedlicher Ebenen und Quellorganisationen des neuen linken Parteiprojektes auf die Frage der Regierungsbeteiligung und bezieht sich dabei auf die verschiedenen und zum Teil konträren Sichtweisen, wie sie in den Interviews von Meinhard Meuche-Mäker, ergänzt um weitere Interviews mit Akteuren der Berliner Linkspartei durch die Autorin dieses Beitrages, deutlich werden.2 In einem nächsten Schritt wird gefragt, welche grundsätzlichen strategischen Fragen der neuen Linkspartei dabei angesprochen wurden. Abschließend werden sie in Bezug auf die spezifisch Berliner Situation diskutiert.
Der Text stützt sich neben den schon genannten qualitativen Interviews zusätzlich auf Dokumente und Pressemeldungen und nimmt Bezug auf die inzwischen vorliegende Mitgliederbefragung der Linkspartei Marzahn-Hellersdorf aus 2007, die auszugsweise in diese Publikation aufgenommen wurde3. Der Beitrag versucht, das „analytische Dreieck“, wie Rolf Reißig es in seiner Studie „Mitregieren in Berlin“ vorschlägt, im Auge behalten:
Ergebnisse in Bezug setzen zu den realen Herausforderungen und tatsächlichen Handlungsräumen.