Fukuyamas „Ende der Geschichte“ war keine zufällige Episode in der Geschichte des Nachdenkens über die real- und geistesgeschichtlichen Erträge des 20. Jahrhunderts. Es war Ausdruck des Selbstverständnisses der bürgerlichen Kräfte in der Welt und in den USA im besonderen, nunmehr ‚Sieger der Geschichte‘ zu sein und keine Alternative mehr fürchten zu müssen. Wahrscheinlich erklärt sich auch nur vor diesem Hintergrund jenes laute Erschrecken im Angesicht der Attentate des 11. September 2001. Es ist beileibe nicht alles anders als zuvor, wie zur Begründung gewaltsamen Handelns gern hervorgehoben wird, doch haben sich Entwicklungslinien zugespitzt, die ihre Wurzeln in den Tiefen der Geschichte haben, und dies nicht erst in der Geschichte des 20. Jahrhunderts.
„Der Zusammenbruch des Kommunismus hat die Menschen mitnichten in eine sichere demokratische Zukunft entlassen“, schrieb der US-amerikanische Politologe Benjamin Barber, der zu den gemäßigten Kritikern der neoliberalen Globalisierungsstrebungen gehört. Das gilt für die Weltverhältnisse von heute überhaupt, vor allem aber für die Analyse der ehemals kommunistischen Länder in Mittel- und Osteuropa. – Unabhängig davon, in welchem Sinne Barber und andere den Begriff „kommunistisch“ benutzen, wird er von mir im folgenden ausschließlich bezogen auf die Gesellschaftskonzeption und daraus hergeleitet das Herrschaftssystem, also typologisch verwandt. Ich folge hier einer theoretischen Unterscheidung von Sozialismus und Kommunismus, wie sie vor dem Hintergrund der europäischen Geistesgeschichte sinnvoll ist: Danach sind Kommunisten jene, die die soziale Frage, die mehr oder weniger drückende Kluft zwischen arm und reich, durch die Enteignung allen wichtigen Produktiveigentums in der Gesellschaft und dessen Vergemeinschaftung lösen wollen; Sozialisten dagegen sind jene, die die soziale Frage lösen wollen, indem sie das Kapital der Kontrolle der Gemeinschaft unterstellen. Sie wollen über Gesetz und Staat dafür sorgen, dass das Kapital der Arbeit untersteht, und nicht umgekehrt.
Die heutigen politischen Verhältnisse in Mittel- und Osteuropa sind auch zwanzig Jahre nach 1989 nicht völlig zu verstehen, ohne die Hinterlassenschaften des kommunistischen Systems einerseits und den Verlauf des Systemwechsels andererseits zu berücksichtigen. Zugleich muss auch auf den historischen Platz des kommunistischen Systems gesehen werden, um die seither vollzogenen Wandlungen zu verstehen.
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